Ebersberg:Chronik einer Ehehölle

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Vor dem Amtsgericht wird ein dreifacher Vater für die Misshandlung seiner Frau verurteilt

Von Victor Sattler, Ebersberg

Ihren Höhepunkt erreichte die Wut des 37-Jährigen an einem Tag im Dezember 2016, als er seine Frau gegen 23 Uhr bei einem anderen Mann im Auto vor dem Parsdorfer McDonalds entdeckte und einen Kuss gesehen habe. Mitten in der Bestellung am Schalter riss er die Beifahrertüre auf, zerrte an der Tasche seiner Frau - so weit stimmen die Geschichten überein - und habe mehrmals kräftig auf den Bauch der Frau eingetreten, so berichtet es der "andere Mann", ein Arbeitskollege ihrerseits. Die aufgestaute Eifersucht, gepaart mit seinem Stolz - "Der Herr des Hauses kriegt immer was er will", habe er einmal zu ihr gesagt - brachten das Schlimmste in ihm zum Vorschein.

Zehn Monate später im Ebersberger Amtsgericht: Vor dem Schöffengericht mit Vorsitz von Markus Nikol war vom kontrollsüchtigen Macho und "Herrn des Hauses" nicht mehr viel übrig geblieben. Als emotionales Wrack schilderte der 37-Jährige seine Sicht der Dinge. Die Blicke der Jurastudenten im Saal sind aber auf den Bauch der Frau gerichtet: An jener Körperstelle, auf die vor zehn Monaten noch eingetreten worden sei, trägt sie das Kind, das sie vom Angeklagten erwartet.

Ihrer mutmaßlichen Affäre war bereits eine lange Gewaltgeschichte vorangegangen, die beide Parteien bestätigten, "ohne einen Hehl daraus zu machen", wie die Verteidigerin sagte: Gürtelhiebe und andere Misshandlungen hätten sich regelmäßig ereignet, die Kollegen der Frau können von Fotos und Videos berichten. Im Jahr 2014 beginnt die schriftliche Aufzeichnung der Vorfälle, seitdem war dem Angeklagten jedes Werkzeug, von einem Kissen aufs Gesicht bis zur Salatschüssel an den Kopf, gut genug.

Für Richter Nikol galt es aber noch auszuloten, wo in der Ehe die Grenze zur Vergewaltigung liegt - und wo der Konsens aufhört. "Mach' deine Beine breit", zitierte der Staatsanwalt den Angeklagten aus der Strafanzeige. Von "Nötigung" sprach die Polizeibeamte, die die Frau vernommen hatte. Besonderes Augenmerk wurde auf die erste Nacht des Oktoberfests 2014 gelegt, in welcher der Angeklagte gegen sechs Uhr früh den Geschlechtsverkehr mit Schlägen gegen den Kopf der Frau erzwungen und sie als "Herr des Hauses" für sich in Anspruch genommen habe. "Wie Männer eben so reden", seufzte das Opfer im Zeugenstand. Sie konnte die Anschuldigungen, die sie im Januar gemacht hatte, selbst nicht mehr fassen und bemühte sich am Mittwoch folglich, die Anklagepunkte abzuschwächen. Mit dem Fuß habe er sie "per Zufall" erwischt, die Schüssel war nur "in ihre Richtung" geflogen. "Und durch was sind Sie gegen das Regal gefallen?", hakte der Staatsanwalt ungeduldig nach.

Die einzig konkrete Aussage, die sie machte, nachdem man sie anhielt, sie könne doch nicht "zu allem nur ein bisschen sagen", war letztendlich: "Ich glaube nicht, dass mein Mann mich vergewaltigen wollte." Er habe das nicht ernst gemeint. "Im Spaß" und "gut drauf vom Alkohol" waren hier die Schlüsselwörter; das Nein der Frau bezog sich einmal auf den Sex, dann plötzlich nur noch darauf, dass der Angeklagte nicht im Ehebett schlafen sollte. "Warum wollte ich auch meine Frau vergewaltigen?", rätselte der Angeklagte, als bildeten die beiden Wörter einen Widerspruch. "So einen betrunkenen Herrn in Vollmontur will ja auch niemand im Bette haben", sympathisierte die Verteidigerin mit der Zeugin - und half so, weitere Vorfälle in ein gutbürgerliches Licht zu rücken. "Wir haben uns gestritten wie ein Ehepaar", resümierte die Zeugin.

Der Angeklagte gab Einblicke in sein eigenes brodelndes Innenleben: Der Vater seiner Frau lebte bereits seit vier Monaten auf ihre Kosten, von Dankbarkeit war aber keine Spur. "Ruf' halt die Polizei", riet der Schwiegervater seiner Tochter hin und wieder trocken. "Die Polizei hat Wichtigeres zu tun, als zu uns zu kommen", meinte hingegen der Mann. Erschwerend hinzu kam, dass seine Frau auch noch ihre "ehelichen Pflichten" vernachlässigte, vom Kinderhüten bis zur Verköstigung: "Heute kocht sie", wetterte der Angeklagte, "jetzt, da wir getrennt leben, schickt sie mir Fotos von Schnitzel und Kartoffeln. Schön." Noch persönlicher getroffen habe es ihn nur, als seine Frau seine verstorbene Mutter als Hure bezeichnet habe, während sie sich an der Kommode die Haare kämmte - mit jedem Bürstenstrich folgten weitere Beleidigungen, beschrieb der Mann das Bild aufgelöst stammelnd und in Tränen.

Die Anklage der Vergewaltigung wurde von der Staatsanwaltschaft letztlich fallengelassen. Für die gefährliche Körperverletzung - auch für die Tritte bei McDonalds, die von mehreren Zeugen und Bildern der Hämatome glaubhaft gestützt wurden - bekam der Angeklagte aber eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung und muss 2000 Euro an den Frauennotruf zahlen.

Nach dem Prozess will sich das Paar, das sich 2009 kennenlernte, seit 2010 verheiratet ist und zuletzt getrennt lebte, wieder versöhnen, um mit dem dritten Kind in einer neuen Stadt von vorn anzufangen. Dafür bekamen sie in den Plädoyers eine Art Segen ausgesprochen.

© SZ vom 06.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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