Diskussion in Erding:Ökologische Boomregion

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In kleiner Runde hält Markus Büchler einen Vortrag zur Mobilität im Großraum München - und setzt dabei aufs Fahrrad. Ein Auto hatte er noch nie. (Foto: Peter Bauersachs)

Markus Büchler, der Bezirksvorsitzende der Grünen in Oberbayern, diskutiert in Erding über die Zukunft der Mobilität im Münchner Umland

Von Jan-Hendrik Maier, Erding

Während der Norden des Freistaats immer mehr Einwohner verliert, wächst der Speckgürtel um die Landeshauptstadt beinahe unaufhörlich weiter. Allein für den Landkreis Erding rechnet das Landesamt für Statistik mit einem Bevölkerungszuwachs von etwa 15 Prozent bis 2034. Damit einher gehen die Fragen, wie man ausreichend und vor allem bezahlbaren Wohnraum schaffen kann, und wie sich die Mobilität der Menschen in Zukunft gestalten soll. Markus Büchler, Bezirksvorsitzender der Grünen in Oberbayern, referierte darüber am Donnerstagabend beim Mayr-Wirt in Erding. Seine Überzeugung: "Auch eine wachsende Boomregion kann die Lebensqualität sichern und ökologisch vorbildlich sein."

Zu lange sei der Wohnungsbau in Südbayern vernachlässigt worden, so Büchler. Gerade Menschen mit durchschnittlichem Einkommen und die Flüchtlinge, die in Deutschland bleiben dürfen und sich etwas eigenes suchen müssen, bekämen das deutlich zu spüren; denn Wohnungen für maximal zehn Euro Miete pro Quadratmeter sind knapp. Büchler lobte den "Wohnungspakt Bayern", mit dem binnen drei Jahren 28 000 neue Wohnungen zu "erschwinglichen Preisen" geschaffen werden sollen. "Wir müssen aber unbedingt darauf achten, dass das zukunftsfähig gestaltet wird." In einem Ballungsraum wie München bedeute das, neuen Wohnraum kompakt, mit bestmöglichen Energiestandards und nah an den Stadtzentren zu bauen. Laut einer Studie des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2014 wünschten sich zudem 82 Prozent der Deutschen, im Alltag wieder mehr zu Fuß oder mit dem Fahrrad erledigen zu können. Außerdem forderten die Befragten eine gute Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel. "Das ist ein Zeichen für ein neues Verständnis von Lebensqualität", sagte Büchler. Zukunftsfähig heiße aber auch "sozial durchmischt": Der reiche Single soll neben der kinderreichen Familie wohnen; keine "Armutssiedlungen wie im Hasenbergl in den 70er-Jahren". Erding gehe da mit dem Modell der sozialen Bodennutzung schon einen guten Weg.

Büchler kritisierte, dass man bei Fragen der Mobilität zu sehr auf Großprojekte wie etwa die zweite S-Bahn-Stammstrecke fixiert sei und dabei lieber den schwarzen Peter hin- und herschiebe anstatt die Probleme anzupacken. Eines davon sei, dass es keine nennenswerten Querverbindungen an den Endstationen der S-Bahn gibt. "Die Außenäste müssen endlich ertüchtigt werden", sagte Büchler. Nicht zuletzt auch, weil die Zahl der Binnenpendler, zum Beispiel zwischen Erding und Freising, ansteige. Büchler plädierte zudem für einen viergleisigen Ausbau der Bahnstrecke zwischen Markt Schwaben und München: "S 2, Regionalzüge und der Güterverkehr aus dem Chemiedreieck - wie soll das auf zwei Gleisen gehen?" Dass die Staatsregierung die planmäßige Ausschreibung für den Betrieb der Münchner S-Bahn verschoben hat, hält Büchler für eine Fehlentscheidung. "Das wäre die Chance gewesen, Verbesserungen wie mehr Wagen und höhere Takte zu erwirken."

Aus Sicht des Grünen-Politikers ließe sich für die Zukunft mit Investitionen in die Nahmobilität, also solchen die Radfahrern und Fußgängern zugutekommen, mehr erreichen. "Der Platz für Fußgänger ist zu einer Restfläche des Autoverkehrs geworden", sagte Büchler. "Das sollten wir ändern." Als Vorbild nannte er Kopenhagen. Die dänische Hauptstadt habe in den vergangenen Jahrzehnten ihre Infrastruktur gezielt an die Bedürfnisse von Fahrradfahren angepasst und damit Anreize geschaffen, freiwillig aufs Auto zu verzichten. So gibt es breite, sichere, windgeschützte Wege durch Innenstadt und Hafen, Parkhäuser für Zweiräder an Einkaufszentren und die Mitnahme in der S-Bahn ist zu jeder Tageszeit kostenlos - und dank dem entsprechenden Platz in den Zügen vor allem auch möglich. "55 Prozent der Pendler fahren mit dem Rad", sagte Büchler. In München arbeite man derzeit an einem Radschnellweg zwischen dem Stadtnorden und Garching.

© SZ vom 20.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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