Die außergewöhnlichen Kommunalwahlen:Spannender Kampf ums Landratsamt

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Gegen den amtierenden Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) hatte sich eine Front aus Freien Wählern, SPD und Grünen mit dem gemeinsamen Kandidaten Hans Schreiner aufgestellt. Erst die Stichwahl entscheidet

Von Thomas Daller, Erding

Für die Kommunalwahlen 2020 werden sich in der Zukunft wohl einmal Lokalhistoriker interessieren. Nicht nur die Formalien waren ungewöhnlich: Die erste Wahl fand wie gewöhnlich statt, die Stichwahlen konnten unter Corona-Bedingungen nur per Briefwahl stattfinden. Auch die Konstellationen waren bayernweit einmalig: Gegen den amtierenden Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) bildete sich eine Front aus Freien Wählern, SPD und Grünen, die einen gemeinsamen Kandidaten aufstellten: Hans Schreiner (FW), Bürgermeister von Bockhorn. Und am rechten Rand erhoffte sich auch noch Rainer Forster Chancen für die AfD.

So eine breite Parteienkonstellation gegen einen Amtsinhaber war außergewöhnlich in Bayern. Noch dazu in einem Landkreis, der wirtschaftlich prosperiert, wo Fachkräftemangel statt Arbeitslosigkeit herrscht, wo der Zuzug nicht abreißt und das Bildungsangebot wenig Wünsche offen lässt. Bayerstorfer hat eine gute Sachpolitik vorzuweisen, das gestanden ihm auch seine Kritiker zu. Was sie ihm vorwarfen, war sein Politikstil.

In der vergangenen Wahlperiode hatte sich Bayerstorfer zu einem streitbaren Landrat entwickelt. Er hatte mit seinem Kommunalpass einen einzigartigen Kurs hinsichtlich der Flüchtlinge eingeschlagen, attackierte den Sozialdienst katholischer Frauen, bis er ihnen die Trägerschaft für das Frauenhaus entzogen hatte, und strengte eine Klage gegen einen Kreisrat der Grünen an, der in Zusammenhang mit vergleichsweise geringen Arbeitserlaubnis-Quoten für Asylbewerber von Behördenwillkür gesprochen hatte.

Bayerstorfer hatte schließlich so viel politisches Porzellan zerschlagen, dass die BR-Sendung "Quer" über ein "Klima der Angst" im Landkreis berichtete, wo es kaum jemand mehr wage, dem Landrat offen zu widersprechen. In diesem Klima schmiedeten Grüne, SPD und Freie Wähler eine Allianz gegen den amtierenden Landrat. Beim Pressetermin zu Schreiners Aufstellung hieß es über Bayerstorfer: Ihm fehle der Respekt gegenüber anderen Fraktionen, man habe kein Vertrauen mehr in ihn. Seine Politik sei intransparent und sein Auftreten oftmals eine "Unverschämtheit".

Der Amtsinhaber schien so angeschlagen, dass ihm sogar der damals parteilose Kreisrat Rainer Forster mit einer Hybris entgegentrat, die Bayerstorfer überraschte: Forster war sowohl beruflich als KAB-Diözesansekretär als auch von der ÖDP geschasst worden, weil er zu KAB-Veranstaltungen gerne mal einen AfD-Funktionär einlud oder Verschwörungstheoretiker zu Wort kommen ließ. Nach seinem Partei- und Fraktionsaustritt streckte Forster seine Fühler im Januar 2019 erst einmal bei der CSU aus: Bei einem Treffen mit der CSU-Kreisvorstandschaft, an dem auch Landrat Martin Bayerstorfer teilnahm, bot er an, der CSU beizutreten. In dessen Gegenwart nannte er dafür einen hohen Preis: Er, Forster, wolle der nächste Landratskandidat der CSU werden, Bayerstorfer solle sich nach 18 Jahren "auch mal neuen Aufgaben zuwenden". Als die CSU ablehnte, trat er als Gegenkandidat der AfD an und behauptete auf Wahlkampfveranstaltungen, er werde Bayerstorfer im ersten Wahlgang ausstechen, ohne Stichwahl.

Da hatte sich der AfD-Kandidat jedoch gewaltig verrechnet: Im ersten Wahlgang erhielt Bayerstorfer zwar nur 48,7 Prozent, Schreiner kam auf 45,7 Prozent, aber Forster landete abgeschlagen bei 5,6 Prozent. In der Stichwahl setzte sich der Erdinger Landrat jedoch mit 53,2 Prozent gegen seinen Herausforderer Hans Schreiner durch. Bayerstorfer ging damit in seine vierte Amtszeit.

Bayerstorfer hat die Wahl offenbar aus zwei Gründen gewonnen: Er konnte sich in der beginnenden Corona-Krise als tatkräftiger Manager profilieren, dem die Bürger zutrauten, in dieser Pandemie mit seiner Erfahrung das Richtige zu tun. Und er ging seither anders mit FW, Grünen und SPD um - freundlicher.

© SZ vom 29.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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