Dialektförderung per Lehrplan:Bairisch im Unterricht? Koa Problem

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Im Landkreis Erding sprechen noch viele Kinder und Jugendliche Dialekt. Die Beiträge sollten aber auch für Mitschüler und Lehrer verständlich sein. An der Realschule Oberding gibt es das Fach "Heimat und Brauchtum"

Von Regina Bluhme, Erding

Vor neun Jahren haben die Vereinten Nationen Bairisch auf die Liste der aussterbenden Sprachen gesetzt. Kultusminister Bernd Sibler (CSU) versucht nun zu retten, was zu retten ist, und hat kürzlich angekündigt, dass der bairische Dialekt stärker im Lehrplan verankert werden soll. Im Landkreis Erding erfreut sich Bairisch allerdings bester Gesundheit. Hier sprechen noch viele Kinder und Jugendliche Dialekt, auch im Unterricht. An der Realschule in Oberding gibt es seit einigen Jahren sogar ein Wahlfach "Heimat und Brauchtum", in dem Kinder unter anderem das Schafkopfen lernen. Lehrer Thomas Kirchmeier erhält demnächst vom Regionalverband des Fördervereins Bairische Sprache und Dialekte den Mundwerkpreis.

Regine Hofmann, stellvertretende Schulleiterin des Korbinian-Aigner-Gymnasiums (KAG) in Erding, war zuvor in Kirchheim und Höhenkirchen im Schuldienst und musste nach ihrer Versetzung nach Erding eine überraschende Erfahrung machen: "Hier sprechen wirklich noch sehr viele Schüler Dialekt." Doch das störe sie überhaupt nicht, auch nicht in ihrem Unterrichtsfach Musik. Kürzlich sei sie von einem Schüler mit "Grias di, Frau Hofmann" begrüßt worden. "Da habe ich auch ,Grias di' gesagt. Solange ich alles verstehe, mache ich mit", sagt die Fränkin.

Am besten wird der Dialekt nach Ansicht von Regine Hofmann gepflegt, "wenn man die Schüler reden lässt, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist". Dann müssten sie auch nicht so viel über das Formulieren auf Hochdeutsch nachdenken, "und das lässt sie kreativer werden", ist sie überzeugt. Sie könnte sich zudem durchaus vorstellen, dass am KAG einmal ein P-Seminar mit dem Thema "Bayerischer Abend" angeboten wird.

Sonja Schweiger ist erste Fachbetreuerin Deutsch am Gymnasium Dorfen und auch sie berichtet, dass an ihrer Schule noch relativ viele Schüler Bairisch beherrschen. Sie könne nicht für alle Lehrer sprechen, aber generell dürfen sie im Unterricht Dialekt sprechen, "allerdings muss ich es schon verstehen können, es gibt ja da bestimmte Abstufungen", sagt die gebürtige Fränkin. Ein Referat "mit dialektaler Klangfarbe" sei für sie kein Problem, "es sollte aber nicht zu unverständlich sein". Andererseits sollten Dialektsprecher nicht zu sehr mit Hochdeutsch unter Druck gesetzt werden: "Da kommen oft gekünstelte Vorträge raus." In der 6. Klasse ist im Lehrplan Plus Dialekt verankert. Zum Beispiel sollen Schüler Merkmale von Schriftsprache und Dialekt anhand von Texten unterscheiden. Sonja Schweiger lässt ihre Deutschklasse schon mal einen Goethe-Text ins Bairische zu übersetzen, das mache den Schülern immer Spaß und so werde spielerisch das Umgehen mit der Sprache gefördert.

"Der überwiegende Teil unserer Schüler spricht Bairisch und sogar ein schönes Urbairisch", erzählt Martin Heilmaier, Schulleiter der Realschule Oberding. Daran habe auch der starke Zuzug nichts geändert. Egal ob bei Referaten oder Präsentationen: "Wir lassen bewusst den Dialekt zu", sagt Heilmaier. Dialekt hält er für sehr wichtig. Das Wechseln von Dialektsprache ins Hochdeutsche, das erfordere schon Intelligenz. Ganz schlimm findet er, wenn bayerische Muttersprachler plötzlich mit ihren Kindern nur noch Hochdeutsch sprechen "und meinen, in der Schule gibt's dann nur Note 1 und 2, das ist ein Irrtum".

An der Grundschule Klettham in Erding sprechen "nur ganz wenige Schüler Bairisch", sagt Rektorin Ingeborg Bruns. Die Grundschule habe einen hohen Migrationsanteil. Wobei sich Bruns noch gut an einen Buben erinnern kann, dessen Mutter aus Afrika stammte und der einer der wenigen an der Schule war, der Bairisch beherrschte. Die Kinder sollten "hochsprachlich angelehnt sprechen", sagt die Schulleiterin. Wenn ab und zu "Dialekt durchbricht", sei das kein Problem. Im Ganztagsunterricht biete Klettham einmal wöchentlich die "sehr bayerisch angehauchte" Stunde "Musik und Tradition" in Zusammenarbeit mit der Kreismusikschule an.

An der Realschule Oberding unterrichtet Thomas Kirchmeier bereits seit fünf Jahren das Wahlfach "Heimat und Brauchtum". Im vergangenen Jahr ging es speziell um die bairische Sprache. Zu Gast waren Manfred Trautmann aus Eitting vom Förderverein Bayerische Sprache und Dialekte und Edeltraud Rey vom Kabarettduo Primatonnen. Es wurden Gstanzl gesungen und bairische Mundartgedichte gelesen. Die Initiative von Kultusminister Sibler findet Kirchmeier gut. Er fände es schade, wenn die Kinder nicht mehr Dialekt sprächen. Beides sei wichtig, Hochsprache und Dialekt, sagt Kirchmeier.

Manfred Traumann, der heuer ebenfalls den Mundwerkpreis erhält, sieht noch einen weiteren Aspekt: "Dialekt gibt einem einfach das Gefühl von Heimat, Identität und Geborgenheit", sagt der 71-jährige Schriftsteller, "egal ob bairisch, hessisch oder sächsisch".

© SZ vom 28.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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