Derzeit läuft die Dialogphase:Gemeinsame Alleinentscheider

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"Es wird spannend", glaubt die Dorfener Direktorin Andrea Hafner. (Foto: Stephan Görlich)

G 8 oder G 9, das darf jedes Gymnasium selbst entscheiden - aber nur, wenn sich alle einig sind

Von Thomas Daller und Florian Tempel, Erding/Dorfen

Als das achtjährige Gymnasium vor zwölf Jahren eingeführt wurde, gab es zwei wesentliche Kritikpunkte: Das ging alles viel zu schnell und es war autoritär von oben verordnet. Diese beiden Vorwürfe will Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) diesmal unbedingt vermeiden. Über die Rückkehr zum G 9 oder nicht darf nun jede Schule selbst entscheiden, und schnell muss sowieso gar nichts sein. "Ganz entspannt", gehe man die Sache an, betonte Staatssekretär Georg Eisenreich (CSU) bei einem Besuch in Erding vor einem Monat. Aber ob die Entscheidungen, welches Gymnasium wie weiter machen wird, so ganz entspannt und reibungslos fallen werden, ist ziemlich fraglich. Der Knackpunkt ist, dass die Entscheidung, wie es wo weiter gehen soll, in jedem Gymnasium von der jeweiligen Schulfamilie getroffen werden soll, und das auch noch einvernehmlich.

Schulfamilie meint alle, die in und mit dem Gymnasium zu tun haben: Lehrer, Schüler, Eltern. Schulforum heißt das Gremium, in dem Vertreter aller Familienteile zusammenkommen. Die Zusammensetzung ist überall gleich, am Gymnasium Dorfen genau so wie am Anne-Frank- und am Korbinian-Aigner-Gymnasium in Erding. Jedes Schulforum hat elf stimmberechtigte Mitglieder: Die Direktorin, je drei Vertreter der Eltern, Lehrer und Schüler sowie einen Vertreter des Landkreises, des sogenannten Sachaufwandsträgers.

Es ist zwar noch gar nicht ganz klar, aber alle gehen davon aus, dass tatsächlich das Schulforum über die Zukunft jedes Gymnasiums entscheiden wird und dass es das mit 11:0 Stimmen tun muss. Aber noch gilt eben, dass es keiner genau weiß. "Wir haben noch kein kultusministerielles Schreiben", sagt die stellvertretende Leiterin des Korbinian-Aigner-Gymnasiums, Regine Hofmann. Am Anne-Frank-Gymnasium und am Gymnasium Dorfen wissen die Direktorinnen Helma Wenzl und Andrea Hafner ebenfalls nicht Genaues, haben aber schon mal alle Mitglieder der Schulfamilien aufgefordert, mit ihrer Meinungsbildung zu beginnen.

Offiziell läuft aber noch die "Dialogphase" des Kultusministeriums, die bis Ende des Jahres abgeschlossen sein soll. Bis zum Sommer 2017 sollen dann alle rechtlichen Fragen geklärt sein und die Reform-Entwürfe vom Ministerrat und vom Landtag beschlossen werden. Erst danach sind die Schulforen an den Gymnasien dran. Das Schuljahr 2017/18 steht zur Meinungsbildung und zur lokalen Entscheidung bereit. Am Ende muss ein Antrag auf Einführung der verlängerten Lernzeit gestellt werden. Ab dem Schuljahr 2018/19 soll die Umsetzung erfolgen.

Als sich in dieser Woche in Dorfen die oberbayerischen Mitglieder des Städtetags trafen, machte Städtetag-Geschäftsführer Bernd Buckenhofer deutlich, dass die Städte die Pläne des Kultusministerium kritischen sehen und eine einheitliche Regelung forderten. "Die Möglichkeit zur Mitsprache von Schülern, Eltern und Lehrern für die individuelle Verlängerung der Lernzeit klingt zunächst verlockend", sagte Buckenhofer in einem Pressegespräch. Aber: "Wenn sich die Gruppierungen in der Schule gegenseitig blockieren, hat am Ende die Kommune den Schwarzen Peter." Er betonte daher, dass es sich um eine pädagogische Frage handele, die das Kultusministerium entscheiden müsse.

Buckenhofer befand zudem die Fülle der Möglichkeiten verwirrend: "Die derzeit diskutierten Optionen öffnen viele Modelle, die an Gymnasien gleichzeitig laufen könnten: Es gibt ein G 8 in Reinform. Es soll ein G 9 in Reinform geben, das aber so nicht genannt wird. Und es soll ein G 9 geben, das verkürzt in acht Jahren mit dem Abitur abgeschlossen werden kann - früher hat man das Überspringen genannt. Dann soll es noch ein G 8 plus geben, auf dem man nach neun Jahren zum Abitur kommen kann. Früher hat man das Durchfallen genannt." Die Städte - und analog die Landkreise - brauchten Planungssicherheit. In vielen Regionen beschäftige man sich jedoch derzeit mit Fragen der Sanierung oder eines Anbaus ohne eine Sicherheit bei der Planung zu haben, beklagte Buckenhofer

Die Schulleiterinnen der drei Landkreis-Gymnasien bleiben viel zurückhaltender als der Geschäftsführer des Bayerischen Städtetags. Sie betonen, dass noch so vieles offen und ungeklärt ist - was sollen sie denn sagen. Selbst, dass wirklich das Schulforum die Entscheidungsgewalt haben wird, sei ja nur eine Annahme, sagt Wenzl: "Weil ja bislang nirgendwo etwas festgelegt ist." Gesetzt den Fall, es ist wirklich das Schulforum, das entscheidet, wird es natürlich "spannend", sagt die Dorfener Direktorin Hafner.

Vielleicht sind sich ja alle Mitglieder in einem Schulforum von Anfang an einig, vielleicht sind alle für G 8 oder G 9 oder eine der möglichen Mischformen. Womöglich gehen die Meinungen aber auseinander - was ist dann? Was bedeutet es, wenn es am Ende kein einstimmiges, einvernehmliches Votum geben sollte? Bleibt die Schule dann automatisch beim G 8, weil möglicherweise eine Minderheit im Schulforum den Willen der Mehrheit fürs G 9 blockieren kann? Was passiert, wenn sich Eltern gegen Eltern stellen, Schüler gegen Lehrer oder alle gegen den Landkreisvertreter im Schulforum? Müssten sich nicht die drei Gymnasien im Landkreis untereinander absprechen, und was ist mit den Schulen in den Nachbarlandkreisen? Es gibt so viele offene Fragen.

© SZ vom 19.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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