Der Prozess geht weiter:Umfangreicher Aktenbestand

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Auch nach sechs Monaten ist im Prozess gegen die Geschäftsführer von Müller-Brot kein Ende in Sicht

Sechs Monate, bisher 27 Verhandlungstage - und noch immer ist kein Ende in Sicht im Prozess gegen die Geschäftsführer der einstigen Großbäckerei Müller-Brot aus Neufahrn im Landkreis Freising. In etwa 8300 Aktenordnern, die sich auf das derzeit vor der Wirtschaftskammer laufende Verfahren wegen Insolvenzverschleppung und Verstößen gegen das Lebensmittelrecht beziehen, mussten sich die Verfahrensbeteiligten einarbeiten. An diesem Montagvormittag, als das Verfahren nach längerer Unterbrechung seine Fortsetzung fand, wurde bekannt, dass etwa sechzig weitere Ordner aufgetaucht sind, die sich in einem Büro der Großbäckerei befunden hatten.

Offenbar war zeitweise sogar eine Aussetzung der Hauptverhandlung im Gespräch. Einer der Verteidiger sagte, dies sei "durchgesickert". Er warf Vorsitzendem Richter Alfons Gmelch in diesem Zusammenhang vor, Gespräche außerhalb des Gerichtssaals nicht protokollieren zu lassen. Dieser entgegnete, er halte nicht alle Gespräche, die er mit Verteidigern außerhalb der Verhandlung führe, für protokollpflichtig. Im übrigen, informierte er, sei nicht mehr die Rede davon, die Hauptverhandlung auszusetzen. Dies will Vorsitzender Gmelch mit einem Beschluss bekräftigen.

Sachverständiger Georg Sulzer erörterte in der Folge die Hygienevorschriften, die bei Müller-Brot galten, sowie deren Dokumentation. Er sagte, dass sich der Betrieb nicht nur den gesetzlichen Vorschriften verpflichtet habe, sondern darüber hinaus auch den strengeren International Featured Standards (IFS-Standards). Die Organisation des Qualitätsmanagements entsprachen Strukturen, wie sie auch in vergleichbaren Betrieben üblich sind. Sulzer bemängelte allerdings, dass diese teilweise schwer durchschaubar seien. Da gebe es direkte Zuordnungen und Stabszuordnungen. "Von den Auswirkungen her ist das aber nicht dramatisch", stellte Sulzer fest.

Was die Hygienekontrollen betrifft, stellte der Sachverständige fest, dass es im Betrieb eine sogenannte "Dokumentations-Pyramide" gegeben habe. Das bedeutet, es habe Qualitätsmanagements-Handbücher aus den Jahren 2006 und 2007 gegeben sowie Verfahrens- und Arbeitsanweisungen. Die Handbücher hätten unter anderem die Unternehmensphilosophie beschrieben. Die Verfahrenanweisungen stammen aus dem Jahr 2011. Sie beschreiben etwa Vorschriften für Metalldetektoren, die Pasteurisierung der Lebensmittel, den Säuregehalt von Frittierfett oder die Sahne-Temperatur. Sulzer befand, dass die Vorschriften so allgemein gehalten waren, wie sie etwa Innungen vorschreiben. Sie hätten aber den Betriebsbedingungen angepasst werden müssen.

Ein Verteidiger wies darauf hin, dass leitendes Personal Schulungen bei renommierten Instituten genossen hätte. Nach Meinung des Sachverständigen nutzten diese hohen Standards nichts, wenn sie im Betrieb nicht durchgesetzt werden könnten. Dies meinte er aus den vielen Androhungen arbeitsrechtlicher Schritte gegenüber Beschäftigen in den Arbeitsanweisungen herauslesen zu können. Da habe es 91 Vorschriften gegeben, eine Zahl, die ihm im Vergleich mit ähnlichen Großbäckereien gering vorkomme. Kurios findet der Sachverständige die Regeln zur Beseitigung von Glassplittern bei Müller-Brot. Die sollten zusammengekehrt und dann in einem Abfalleimer entsorgt werden. Sulzer sagte, in anderen Betrieben gebe es da farblich gekennzeichnete Besen und Eimer, um die Verletzungsgefahren zu mindern.

© SZ vom 21.06.2016 / beb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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