Hochwasserschutz für Erding:"Hier kämpft David gegen Goliath"

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Hier könnten in wenigen Jahren die Bauarbeiten beginnen. Die kleine Straße verbindet Niederwörth mit der gegenüberliegenden Seite des Sempttals. (Foto: Renate Schmidt)

Vor der zweiten Informationsveranstaltung zum Hochwasserschutz an der Sempt am heutigen Mittwoch scheinen die Fronten verhärtet. In Wörth bildet sich Widerstand gegen das geplante Hochwasserrückhaltebecken

Von Mathias Weber, Erding/Wörth

Vergangenen Juli, bei der ersten Informationsveranstaltung zum Hochwasserschutz entlang der Sempt, hatten die Vertreter des Wasserwirtschaftsamtes Verstärkung nach Wörth mitgebracht. In weiser Voraussicht, dass sich die Diskussion aufheizen könnte, wurde der Journalist Michael Ruhland als Moderator engagiert. Er sollte als Mittler fungieren zwischen den Bewohnern von Wörth und Niederwörth und den Experten des Amtes auf dem Podium. Das war ihm auch gut gelungen, die Fragen der Bürger hatte er kanalisiert und die Thematik vielleicht ein weniger verständlicher gemacht. Er musste aber auch die Wörther ab und zu ausbremsen und zur Sachlichkeit aufrufen. Denn die waren richtig sauer.

Vor ihrer Nase, zwischen Wörth im Süden, Niederwörth im Norden und der Bahnstrecke und der Wilfinger Straße im Westen soll ein Wasserrückhaltebecken entstehen, dass es in dieser Größenordnung selten gibt. Das Becken soll im Mittel alle 20 bis 50 Jahre im Einsatz sein und eine Hochwasserkatastrophe verhindern, indem es das Wasser der Sempt aufnimmt, bevor es die stark bevölkerten Stadtteile im Süden Erdings erreichen kann. Heute Abend stellt das Wasserwirtschaftsamt den Stand der Planungen noch einmal vor, diesmal speziell an die Erdinger gerichtet; ab 19 Uhr im Gasthof Adlberger in Altenerding. Ob der Platz dort reichen wird? An jenem verregnetem Junitag waren um die 400 Interessierte nach Wörth gekommen, die Turnhalle war voll. Sicherlich werden heute auch viele Altenerdinger, Aufhausener, Berghamer und Langengeislinger zum Adlberger kommen. Sie müssen befürchten, dass der Hochwasserschutz entlang der Sempt enorme Belastungen für ihre Stadtteile mit sich bringen wird, sollte das Rückhaltebecken scheitern. In diesem Fall würde man wohl auf die zweite Variante zurückgreifen: ein Ausbau des linearen Hochwasserschutzes entlang der Sempt, mit meterhohen Schutzmauern.

Auch wenn das Wasserwirtschaftsamt die erste Variante präferiert und die Planungen für das Rückhaltebecken vorantreibt, unwahrscheinlich ist dessen Scheitern nicht. Die Gemeinde Wörth und die Betroffenen werden sich massiv gegen das Becken wehren - das hat der Wörther Bürgermeister Thomas Gneißl (ÜPWG) schon angekündigt und auch in den Raum gestellt, dass im Extremfall ein Gang vor die Gerichte möglich sei. In Wörth selbst hat sich mittlerweile eine Interessensgemeinschaft gebildet, für die bei der ersten Versammlung mehr als Hundert Bürger unterschrieben. Denn den Wörthern macht der Damm Sorgen, der das Sempttal zwischen Niederwörth und Wörth nach Norden hin abtrennen und so das Rückhaltebecken aufstauen soll. Nicht der Damm selbst ist das Problem, sondern dessen Verankerung in der Erde. So genannte Spundwände werden dazu in die Erde gerammt. Die Wörther haben nun Angst, dass diese Wände das Grundwasser aufstauen könnten - unabhängig von einem Hochwasser an der Oberfläche - und in die Keller der Anwohner eindrückt. Ein Problem, das auch das Wasserwirtschaftsamt nicht ausschließen kann. Daher wird in einem nächsten Schritt nun die Erstellung eines Grundwassermodells in Auftrag gegeben.

Dem schenkt aber Fritz Gruber schon jetzt keinen Glauben. Der Ortssprecher des Bauernverbandes, der selbst in Niederwörth lebt und ein Wortführer der Kritiker ist, ist von der Gefahr durch das Grundwasser für die Anlieger überzeugt. Er glaubt auch, dass es andere Möglichkeiten gäbe, einen effektiven Hochwasserschutz hinzubekommen und verweist auf die Idee von Helmut Trinkberger, Naturschutzbeirat im Landratsamt Erding und ehemaliger ÖDP-Stadtrat. Er hatte vorgeschlagen, die Gewässer zu renaturieren, Flüsse und Bäche wieder aufzuweiten, Flutmulden zu schaffen, Gräben und Altwässer zu öffnen und wieder möglichst viel Rückstauraum für Hochwasser zu schaffen. Das Wasserwirtschaftsamt hat das aber schon durchgerechnet: Renaturierungen alleine würden "nie und nimmer" reichen.

Die Argumente des Wasserwirtschaftsamtes zählen in Wörth allerdings wenig. Alles läuft auf eine Konfrontation zwischen Erding und der Nachbargemeinde hinaus. Wo der Erdinger Bürgermeister Max Gotz (CSU) bei der letzten Infoveranstaltung noch sagte, dass "ein Gegeneinander uns nicht hilft", erinnerte Wörths Bürgermeister Gneißl an eine "einseitige Vor- und Nachteilslage". Landwirt Fritz Gruber stimmt ihm zu. Er bringt es so auf den Punkt: "Hier kämpft David gegen Goliath."

Die Infoveranstaltung beginnt am heutigen Mittwoch, 5. Oktober, um 19 Uhr im Gasthaus Adlberger in Altenerding.

© SZ vom 05.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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