Der Bedarf sei angeblich nicht gegeben:Unerwünschte Einblicke

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Grüne scheitern im Erdinger Stadtrat mit einem Antrag auf ein Ratsinformationssystem für die Bürger. Verwaltungsleiter moniert zusätzlichen Aufwand, außerdem könne es Probleme mit dem Datenschutz geben

Von Antonia Steiger, Erding

Auf der Homepage der Stadt Erding wird es auch künftig keine Angebote geben, mit denen sich die Bürger genauer über Vorgänge in den Stadtratssitzungen informieren können. Die Grünen hatten einen Antrag auf die Einrichtung eines Ratsinformationssystems für Bürger gestellt, den der Verwaltungs- und Finanzausschuss am Dienstag mit großer Mehrheit abgelehnt hatte. Die Grünen wollten, dass Sitzungsvorlagen vor und Protokolle sowie Abstimmungsergebnisse nach den Sitzungen veröffentlicht werden - so wie das heute schon für Sitzungen des Kreistags und dessen Ausschüsse möglich ist.

OB Max Gotz (CSU) machte von Anfang an klar, dass er den Antrag nicht unterstützen werde. In der Verwaltung wäre dafür ein enormer Aufwand nötig. Verwaltungsleiter Reinhard Böhm führte aus, dass Datenschützer die Veröffentlichungen von Sitzungsvorlagen kritisch sähen, weil persönliche Daten nicht veröffentlicht werden dürften. Die Sitzungsunterlagen seien laut bayerischer Gemeindeordnung "interne Ausarbeiten der Verwaltung für den Gemeinderat und nicht zur Veröffentlichung oder zur Herausgabe an die Presse bestimmt". Dagegen spricht allerdings die gängige Praxis, diese Unterlagen der Presse zur Verfügung zu stellen. Zu den Sitzungsniederschriften sagte Böhm, sie seien "offizielle Dokumente mit dem Charakter öffentlicher Urkunden". Ihre Veröffentlichung sehe die Gemeindeordnung "nicht ausdrücklich" vor. Die Verwaltung müsste Namen von Betroffenen anonymisieren.

Helga Stieglmeier (Grüne) sagte, das Ratinformationssystem für Bürger sei in anderen Kommunen schon gebräuchlich, zum Beispiel in Ebersberg, Neufahrn, und München. Die Bürger hätten das Recht, sich zu informieren. Den Aufwand, in das Rathaus zu gehen und Protokolle einzusehen, würden viele nicht leisten können. Gotz entgegnete ihr, er bezweifle, dass ein solches System für mehr Transparenz sorge. Die Mehrheit der Stadträte sah das ähnlich: Rainer Mehringer (FW) äußerte Schwierigkeiten, "den Bedarf zu erkennen". Jakob Mittermeier (CSU) sagte, die Menschen interessierten sich nur für das, was sich vor ihrer Haustüre abspiele. Er machte das an dem fehlenden Interesse an den mehrere Stunden währenden Haushaltsberatungen fest. Tatsächlich bestehen die Haushaltsberatungen in Erding zum großen Teil darin, dass 40 Stadträte gemeinsam Seite für Seite eines dicken Buches - dem Entwurf für den Haushalt - umblättern; ein Vorgang, dem Zuhörer nur mit Blicken folgen könnten. Hans Balbach (Erding Jetzt) fürchtete Versuche der Beeinflussung durch Bürger, wenn diese noch genauer wüssten, was in den Sitzungen besprochen werde. Er habe das schon mehrfach erlebt, sogar bei Sitzungen des Grundstücksausschusses, der so nichtöffentlich tagt, dass nicht einmal die Tagesordnung bekannt werden dürfte. Für ein Ratsinformationssystem sprachen sich neben Stieglmeier auch Eva Döllel (ÖDP) und Hubert Niestroy (SPD) aus; letzterer bezeichnete das Fehlen dieser Informationsquelle für die Bürger als "old school" und rückwärtsgewandt. Erding müsse den Blick in die Zukunft werden.

Worauf sich der Ausschuss dagegen einigen konnte: dass Telefonnummern und E-Mail-Adressen der Stadträte auf der Homepage veröffentlicht werden, sofern die Stadträte damit einverstanden seien. Stieglmeier sagte, ihre Telefonnummer stehe auf der Homepage des Landkreises. Und es riefe immer wieder jemand an. Gotz hingegen hat eigenen Angaben zufolge in 21 Jahren als Kreisrat noch keinen einzigen Anruf erhalten.

© SZ vom 16.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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