Debatte:Kritik am Abschiebegefängnis

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Mitglieder des Anstaltsbeirats sehen die JVA Erding als ungeeignet an und beklagen den Umgang mit den Strafgefangenen

Von Florian Tempel, Erding

Fritz Steinberger (SPD), Kreisvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt, ehemaliger Zweiter Bürgermeister und früherer Dritter Landrat, kritisiert scharf die Entscheidung, die JVA Erding zum Abschiebeknast zu machen. Steinberger ist Mitglied im Beirat der Justizvollzugsanstalten Landshut, Erding, Mühldorf und Landau. Er sagt: "Die JVA Erding ist für so etwas gar nicht ausgelegt." Seit vergangener Woche werden die Strafgefangenen in andere Gefängnisse verlegt. In Kürze sollen statt ihnen Frauen oder Ehepaare in Erding bis zu ihrer Abschiebung inhaftiert werden.

Die kurzfristig anberaumte Umwandlung des Erdinger Gefängnisses sei vom JVA-Beirat nur "unter enormen Protest aller Beteiligten" zur Kenntnis genommen worden, sagt Steinberger. Der Anstaltsbeirat, dem Abgeordnete aller Landtagsfraktionen angehören, bestehe darauf, "dass es nur eine vorübergehende Geschichte bleibt". Das Erdinger Gefängnis dürfe keinesfalls zu einem dauerhaften Abschiebeknast werden.

Das Wachpersonal sei nicht im Umgang mit weiblichen Flüchtlingen geschult, protestiert Steinberger. Die Justizvollzugsbeamten kennten sich nur im Umgang mit männlichen Strafgefangenen aus. Das sei doch ein riesiger Unterschied. Die von Abschiebung betroffenen Frauen und Männer "sind keine Straftäter". In der JVA Erding weibliche Flüchtlinge einzusperren, sei "völlig unmenschlich". Ein Gefängnis bliebe ein Gefängnis, auch wenn man "ein paar Nähmaschinen und eine Tischtennisplatte rein stellt".

Maria Brand von der Aktionsgruppe Asyl (AGA) war drei Jahre lang für Amnesty International ehrenamtlich in einem Münchner Abschiebegefängnis für Frauen tätig. Brand weist daraufhin, dass nach EU-Recht eine Abschiebehaftanstalt "in keinem Fall Knastcharakter haben darf". Im Inneren müsse für die Inhaftierten jederzeit freie Bewegung möglich sein, sie müssen telefonieren können und es dürfe auch keine Einschränkungen bei Besuchszeiten geben. In der Abschiebehaft müsse den Inhaftierten "so viel Freiheit wie möglich" gewährt werden.

Steinberger kritisiert auch, wie mit den bisherigen Strafgefangenen umgegangen werde. Nicht wenige in der JVA Erding seien Freigänger und hätte tagsüber Arbeit in der Stadt gehabt. Nun wurden viele von ihnen nach Augsburg verlegt und hätten nicht nur ihren Job verloren. Die Verlegung sei auch für ihre Angehörigen schlimm, weil Besuchszeiten gestrichen und erschwert wurden: "Ich verstehe nicht, wie man über Menschen so am grünen Tisch entscheiden kann." Auch und gerade im Umgang mit Strafgefangenen müsse die Menschenwürde geachtet werden. Das gelten noch mehr für Flüchtlinge, die man "einsperren will, bis aus wirtschaftlichen Gründen ein Flieger voll ist".

Es gibt viele offizielle Begründungen für eine Abschiebehaft. Darunter seien auch solche, sagt Maria Brand, die sie für "irre" halte. So könnten Flüchtlinge, die wegen einer drohenden Abschiebung einen Suizid ankündigten, aus eben diesem Grund inhaftiert werden. Auch Flüchtlinge, die sehr viel Geld an Schleuser gezahlt haben, lieferten alleine damit den deutschen Behörden einen Haftgrund.

Von Abschiebung bedroht sind vor allem Frauen, die zuvor in einem anderen EU-Land bereits als Flüchtling anerkannt wurden, erklärt Brand, so genannte Dublin-Fälle. Konkret betreffe das zum Beispiel Frauen aus Eritrea, die zuerst in einem Boot über das Mittelmeer nach Italien kamen und später dort als Flüchtlinge anerkannt wurden. Nur bedeutete das dann meist, "dass sie mehr oder weniger auf der Straße leben mussten", da es in Italien keine Unterstützung nach der Erstaufnahme gebe. "Es ist ganz bitter, wie viele Leute Panik haben, zurückgeschickt zu werden", sagt Brand.

© SZ vom 06.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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