Corona: Was die Maske verbirgt:Lernen unter erschwerten Bedingungen

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Seit Anfang November sind Videosprechstunden wieder genehmigt. Sie sind eine Alternative für Praxisbesuche, aber vor allem für ältere Patienten. Die Logopädin Dina Roos aus Unterföhring hat dafür gekämpft. (Foto: Catherina Hess)

Logopäden können ihre Arbeit nur mit viel Kreativität und Spontanität fortsetzen. Auch viele Kinder an der Sankt-Nikolaus-Schule leiden darunter, wenn sie die Mimik oder die Lippen ihres Gegenübers nicht sehen

Von Konstantin Daum, Erding

Masken sind zu einem Alltagsgegenstand geworden. Viele finden sie lästig, doch für Menschen mit einer Hör- oder Sprachbeeinträchtigung bringen sie wirklich gravierende Nachteile mit sich, für jüngere wie die Schüler an der Sankt Nikolaus-Schule ebenso wie für ältere Menschen, die zum Beispiel nach einem Schlaganfall Probleme beim Sprechen haben. Logopäden wie Bernd Rohr sind in ihrer Arbeit durch die Masken stark beeinträchtigt. Bei bestimmten Störungsbildern ist nun Kreativität und Spontanität gefragt, damit die Therapie überhaupt fortgesetzt werden kann.

Wer einen Logopäden braucht, der muss ihm in aller Regeln auf den Mund schauen können, um ihm beim Sprechen zu beobachten. Bernd Rohr hat einen älteren Patienten, den er bei Hausbesuchen nun durch ein offenes Fenster betreut. Der Patient sei aufgrund eines Schlaganfalls darauf angewiesen, den Mund des Therapeuten sehen. Rohr steht dann mit durchsichtigem Faceschield und Abstand vor dem geöffneten Fenster, wie er erläutert, damit die Therapie überhaupt stattfinden könne. Für Patienten mit orofazialer Störung nehmen Rohr und sein Team die Übungen vorab auf Video auf. Diese Patienten haben Störungen der Mund- und Gesichtsmuskulatur und sind ebenfalls angewiesen, das Gesicht ihres Therapeuten zu sehen. Das sei ein enormer Aufwand und sorge für eine Verzögerung der Therapie, sagt Rohr. Die Therapie mit Maske ist auch für Florence Knooren ein Dilemma. Tragen die Patienten die Maske, könne man die Feinheiten im Gesicht und Mund nicht erkennen. Ohne Maske müsste aber der Abstand vergrößert werden, was wiederum dazu führt, dass man dem Patienten nicht direkt helfen kann.

Eine alternative Therapieform, die seit Anfang November wieder genehmigt ist, ist die Behandlung über Videotelefonate. Diese Therapieform bringt aber nicht nur für den Therapeuten einen Mehraufwand mit sich. Die technischen Voraussetzungen, Kamera, Mikrofon und stabile Internetverbindung, müssen gegeben sein. Vor allem bei Kindern sei der Zugriff durch die räumliche Trennung nicht immer gegeben. "Da muss nur ein Haustier oder Geschwister vorbeikommen, und die Aufmerksamkeit ist woanders", erklärt Lutz Lippe. Zusätzlich komme es zu Verzögerungen von Bild und Ton, das ginge dann wieder zu Lasten der Genauigkeit. Das Material muss mindestens einen Tag vorher beim Patienten sein, damit zur Therapie alles vorbereitet ist.

Zeigen sich unerwartete Schwierigkeiten bei Übungen, könne der Therapeut die Stunde aber nur noch schwer ändern. Zusätzlich ist er in der Auswahl des Materials beschränkt. Vor allem bei Kindern wird viel über Spiele gearbeitet, die habe aber nicht jeder zu Hause, sagt Susanne Ricnik-Gibas. Die Therapeuten sind sich einig: Eine Stunde Videotherapie sind doppelt so viel Aufwand wie eine normale Stunde. Für bestimme Fälle sei das eine gute Lösung, "reine Videotherapie ist aber keine Möglichkeit", erklärt Bernd Rohr.

Hinzu kommt die Umsetzung der Schutzmaßnahmen in der Praxis. Abstand zwischen den Therapiestunden, um Kontakt zu vermeiden und zu lüften, Verzicht auf das Wartezimmer, Desinfizieren des Raums und Materials. Weil der Aufwand deutlich gestiegen sei, vergebe er aktuell circa ein Viertel weniger Termine, sagt Lippe. Die Beschaffung des Hygienematerials sei für die Praxen auch eine finanzielle Belastung, sagt Martina Wellhausen-Rohr. Die Logopäden arbeiten mit FFP2 Masken, die erhöhten Schutz gewährleisten, aber auch teurer sind als die gewöhnlichen blauen Einmalmasken. Für die Beschaffung von Masken, Desinfektionsmittel, Handschuhen uns anderes bekommen sie aber lediglich einen Euro und 50 Cent pro Rezept. Für sie sei das zu wenig.

Für Schüler der Sankt Nikolaus Schule in Erding sind die Masken Fluch und Segen zugleich. Der Schutz der Kinder ist für Schulleiter Georg Bauer wichtig. Sie zählen zur Risikogruppe, deshalb gelte es, das Infektionsrisiko so gering zu halten, wie möglich. Fast alle Kinder tragen Masken, davon befreit sind nur Kinder mit Atemproblemen. In diesen Fällen wird mit Plexiglasscheiben gearbeitet. Durch die Masken werde die Förderung der Kinder mit Hörbeeinträchtigung erschwert. Auch die Gebärdensprache müsse deutlich langsamer und die Gesten verstärkt dargestellt werden. Die Mimik fällt durch die Maske weg, für die Kinder ist sie aber ein essenzieller Bestandteil der Kommunikation. Das Gesicht gibt Aufschluss über die Stimmung und Gefühlslage und verstärkt bei der Kommunikation die übermittelte Nachricht. Wer nicht gut hört, ist umso stärker darauf angewiesen, die Mimik seines Gegenübers richtig zu deuten.

© SZ vom 28.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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