Corona und Kultur:Zwischen Sorge und Zuversicht

Lesezeit: 2 min

Das Virus hat die Kulturbranche hart getroffen. Gerade private Veranstalter spüren die Auswirkungen der Krise. Wolfgang Ramadan zum Beispiel hat für seine private Agentur alle Vorstellungen für dieses Jahr abgesagt

Von Dan Urner

Dorfen/Isen - Corona hat tiefe Spuren im Kultursektor hinterlassen, so viel steht fest. Doch es klaffen merkliche Unterschiede. Während der Dorfener Jakobmayer als städtische Einrichtung in der angehenden Saison zumindest unter Einschränkungen ein Programm anbieten kann, sehen sich Wolfgang Ramadan und seine private Veranstaltungsagentur zur Absetzung aller vorgesehenen Events gezwungen.

Birgitt Binder blickt optimistisch in die Zukunft. Die Kulturmanagerin des Jakobmayer in Dorfen erwartet in der angehenden Kultursaison ein vielseitiges Angebot aus Kabarett, Konzert und Theater - trotz coronabedingter Restriktionen und Unwägbarkeiten. "Viele Punkte finden statt wie vorgesehen. Teilweise sind noch Verlegungen vom Frühjahr dabei", als die Pandemie jegliche Veranstaltungen unmöglich machte. Das betrifft beispielsweise das Konzert der Band Monobo Son oder den Auftritt der Kabarettistin Franziska Wanninger, deren Name eigentlich auch auf dem Terminkalender von Wolfgang Ramadan gestanden hätte. Der freie Kulturschaffende wartet für gewöhnlich mit einem ähnlich vielfältigen Angebot auf. Doch heuer hat seine Veranstaltungsagentur "Brotzeit & Spiele", in zwölf oberbayerischen Städten und Gemeinden - darunter Isen - aktiv, beschlossen, die "kulturelle Grundversorgung" bis Ende des Jahres abzusagen. Ramadan begründet das Vorgehen mit der fehlenden Planungssicherheit sowie dem gesundheitlichen und finanziellen Risiko, "das ich nicht tragen kann und will - auch aus Verantwortung für meine Mitarbeiter. Wenn etwas passiert, bin ich allein haftbar. Öffentliche Häuser sind das nicht." Weiterhin stehen die strengen Auflagen und die zu erwartende geringe Nachfrage einer lohnenswerten Durchführung der Theater-, Comedy-, Kabarett- und Konzertveranstaltungen im Wege, wie er feststellt. "Es fehlt uns das Personal, um die Hygienebestimmungen umzusetzen. Zudem dürfen wir die Säle kaum füllen", erklärt Ramadan: "Wir brauchen 300 Zuschauer, um gewinnorientiert arbeiten zu können." An den Standorten seien aber nie mehr als 200 Besucher zugelassen - und selbst diese Anzahl der Eintrittskarten würde nicht verkauft. Ramadan hat für den Saal des Gasthofs Klement in Isen gar keine Genehmigung ersucht, wie er erzählt. Der historische Wirtshaussaal verfügt über bauliche Ähnlichkeiten mit dem Jakobmayer, das gemäß Hygienekonzept derzeit ein reduziertes Fassungsvermögen von 130 Besuchern hat. "Das Thema Lüftung war noch offen. Bis wir da eine Erlaubnis bekommen hätten, wären die Veranstaltungen schon durch gewesen", klagt Ramadan, der seine Schilderungen aber keineswegs als Jammern missverstanden wissen will: "Es gibt immer jemanden, dem es noch schlechter geht." Stattdessen übt er sich in Zuversicht, will "mit kühlem Kopf" vorgehen und sinniert über neue Konzepte, etwa über mehr Events unter freiem Himmel oder Vorstellungen im Internet.

(Foto: Renate Schmidt/Renate Schmidt)

Seit Juni ist der Jakobmayer wieder für Veranstaltungen geöffnet. In der vergangenen Woche testete der Komiker Michael Mittermeier die Atmosphäre des Kulturzentrums seiner Heimatstadt. "Die Stimmung war sehr gut. Die Leute waren begeistert", freut sich Birgitt Binder. Die Künstlermanagerin verweist auf die "essenzielle Bedeutung" kultureller Veranstaltungen. "Beim Fernsehen fehlt der direkte Kontakt zwischen dem Künstler und dem Publikum. Das ist eine ganz andere Ebene."

Dass die Live-Kultur von der Corona-Pandemie hart getroffen wurde, weiß auch Birgitt Binder. Sie spricht von einer "Extremsituation", die Zusammenhalt erfordere. Ihr Glück: "Wir sind städtisch und haben eine gewisse Sicherheit. Für andere ist die Lage noch schwieriger." Weil unabhängige Veranstalter nicht von öffentlichen Subventionen profitieren, gestaltet sich ihre finanzielle Situation umso diffiziler. Wolfgang Ramadan kann auf keine Zuwendungen zurückgreifen. Er steht gegenwärtig im Kontakt mit der Landesregierung, um zukünftige Finanzhilfen zu erwirken, "die Hoffnung stirbt zuletzt".

Für die gegenwärtige wirtschaftlichen Zustand seiner Agentur bemüht Ramadan eine bildliche Formulierung. "Brotzeit & Spiele" sei auf der Intensivstation, "aber ich denke, wir werden es überstehen", auch dank der treuen Abonnenten. "Ihre Solidarität hat dazu geführt, dass wir die Leute auszahlen können, die ihr Geld zurückfordern", schwärmt der Veranstalter. Vor weitreichenden Zukunftsprognosen schreckt Ramadan zurück - er sei ja kein Meteorologe. "Die haben drei Tage Sicherheit. Unsere Vorhersage ist noch unzuverlässiger." Den Humor hat Ramadan auch in schwierigen Tagen nicht verloren.

© SZ vom 26.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: