Busfahrer des Jahres Dirk Weber:"Immer für alle da"

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Früher Versicherungskaufmann, jetzt glücklicher Busfahrer: Dirk Weber fährt für das Busunternehmen Scharf. (Foto: Renate Schmidt)

Die Fahrgäste haben entschieden: Dirk Weber ist Erdings Busfahrer des Jahres. Die Süddeutsche Zeitung ist bei ihm mitgefahren

Von Sophia Neukirchner

Dirk Weber ist heute auf der Linie 550 unterwegs, wie so oft. Vom Erdinger Bahnhof geht es nach Altenerding, zur Therme und zurück. Genau 433 Haltestellen gibt es im Landkreis - und an einer von ihnen steigt Manfred Schöne ein. Busfahrer Weber kennt den 66-jährigen, der Rentner ist viel mit dem Bus unterwegs. Etwa zum Kegelabend, wo ihn Dirk Weber gerade abgesetzt hat und seinem Gast auch noch sagen konnte, welchen letzten Bus nach Hause er nicht verpassen darf. Manfred Schöne hält viel von Weber und seinen Kollegen: Seiner Meinung nach sind Busfahrer "Superhelden", weshalb auch er heuer an der MVV-Aktion "Busfahrer des Jahres" teilgenommen hat.

Busfahrer sind zweifellos eine Stütze des gesellschaftlichen Lebens. Darum vergeben die Münchener Verkehrsbetriebe (MVV) in Zusammenarbeit mit der Süddeutschen Zeitung heuer zum zweiten Mal die Auszeichnung "Busfahrer des Jahres", jeweils in allen acht Verbundslandkreisen. Bis zum 1. November dieses Jahres konnten Fahrgäste und SZ-Leser ihren Lieblingsbusfahrer nominieren. Im Landkreis Erding bekam in diesem Jahr Dirk Weber, der für das Reiseunternehmens Scharf fährt, die meisten Stimmen - weil er "immer gut gelaunt", "jeder Situation gewachsen, immer höflich" und rundum "einfach der Beste ist", wie einige Fahrgäste schreiben. Bevor Dirk Weber heute die Thermenlinie 550 gefahren ist, hat er eine Runde der Stadtlinie 530 übernommen, damit ein Kollege 40 Minuten Pause machen kann. Sie treffen sich am Bahnhof. Weber wartet in "seinem" weißen Doppeldecker-Reisebus - schön beheizt, mit Sitzgruppen und Fernseher und 81 Sitzplätzen. Er trohnt lächelnd auf dem Fahrersessel, mit blauer MVV-Krawatte und weißem Hemd, und hat dabei die Einbiegung zum Busbahnhof gut im Blick. Diesen Rundumblick genießt Weber auch, wenn er mit dem Reisebus, den außer ihm nur sechs weitere Kollegen - aber er am meisten - fahren, auf der Autobahn nach Österreich, Italien oder Ungarn im Stau steckt. Weber schätzt die Abwechslung in seinem Job: Er fährt Schul- und Linienbus, aber immer wieder auch im Reiseverkehr.

Da kommt die Nummer 530 schon angefahren. Pünktlich. Gelassen begrüßt Weber den aussteigenden Kollegen: "Alles gut? Ist die Strecke frei?" Wenn man wie Weber und seine Kollegen den ganzen Tag nach Minutenplan fährt und eine Abweichung von 60 Sekunden dann schon als Verspätung gilt, sind fünf Minuten Pause für einen Plausch "eine Menge Zeit".

15:54 Uhr - los geht's. Weber lenkt den elf Tonnen schweren Bus, in dem es bedeutend kälter als in seinem Reisebus ist, vom Bahnhofsvorplatz. Wer heute mitfahren wird, weiß er schon ganz genau: "Nur ein paar Schüler und Berufstätige." Laut einer MVV-Umfrage sind werktags die Hälfte aller Kunden der Erdinger Buslinien Schüler oder Studenten, ein Viertel Arbeiter. Webers Strecke führt unter dem Schönen Turm durch, die Landshuter Straße entlang, an der engen Ecke am Sparkassengebäude vorbei durch die Lange Zeile. Anstrengend sei der Stadtverkehr, sagt Weber. Lieber fährt er die Linie 512 von Erding raus zum Flughafen, die meist frequentierteste Linie im MVV. Auch diese Linie bedient das Unternehmen Scharf, das eine stetig steigende Zahlen von Fahrgästen bemerkt. Im Vergleich zu 2006 sind die Fahrgastzahlen im gesamten Verkehrsverbund um ein Viertel gestiegen, die Einwohnerzahl hat in diesem Zeitraum aber nur um acht Prozent zugenommen. Den ausgezeichneten Dirk Weber kenne Geschäftsführer Andreas Scharf "sehr gut", er sei "äußerst dienstleistungsorientiert", habe ein gutes "Fahrkönnen" und sei "immer für alle da, egal ob er Pause hat oder nicht". Weber arbeitet schon seit mehr als über 24 Jahren im Unternehmen. So lange hatte er ursprünglich gar nicht bleiben wollen, erzählt der 49-Jährige, als er den Bus vorsichtig in ein Wohngebiet lenkt. Den Busführerschein hat er schon seit 27 Jahren. Zwischenzeitlich hat der gelernte Maschinenbauer als Versicherungskaufmann gearbeitet, wollte dann aber doch wieder "etwas mit Fahrzeugen machen." Der gebürtige Thüringer bewarb sich auf eine Stellenanzeige in der Zeitung, die Scharf ausgeschrieben hatte. Die Antwort kam sofort: "Du kannst morgen anfangen." Weber ging nach Bayern und ist geblieben. Ihm mache die Arbeit Spaß, der Chef sei nett und unkompliziert, er sehe keinen Grund, wieder zurück zugehen. Anfangs habe er sich noch gewundert, "was die Bayern mir für Worte um die Ohren werfen", nun geht ihm das fröhliche "Pfiat di" locker von den Lippen, wenn er einen Fahrgast verabschiedet. Auch seine Frau hat er in Bayern gefunden. Mit ihr hat er eine 13-jährige Tochter, "die das Busfahren hasst", lacht Weber.

Kurz herrscht auf der Stadtfahrt Stille. Nur ein älteres Ehepaar und eine Frau mit Kinderwagen sitzen im Bus, deren Kinder schauen aus dem Fenster auf die Felder. Dann wird es voller: Eine Station weiter steigen mehr als zwei Dutzend Schüler des Korbinian-Aigner-Gymnasiums zu und erfüllen die Luft im Bus mit Gesprächen über Ohrringe und die Wochenendplanung. Katharina Weidhupf aus der elften Klasse sagt, dass man bei Weber glaubt zu schweben: "So sanft wie er fährt, kann man auch gut stehen." Das sei auch häufig nötig, sagt ihr Klassenkamerad. Wenn morgens die Grundschüler mitfahren, sei der Bus immer schnell voll. Und wenn die Schule nachmittags vorbei ist, werde es oft knapp, rechtzeitig zur Haltestelle zu kommen; das wüssten aber die Busfahrer und würden auf die Schüler warten.

Die Runde endet am Bahnhof. Da gibt er die 530 an seinen Kollegen zurück und steigt in die 550 um - "kein Problem, die Strecken habe ich alle im Kopf." So kann er einer Dame, die in die Therme möchte, auch schnelle Auskunft geben: "Steigen Sie ein." Ob er die Menschen erholter aus der Therme in Altenerding abholt, wie er sie hingefahren hat, das habe er noch nicht feststellen können. Zur Zeit seien manche Fahrgäste gestresst wegen der Baustelle an der Freisinger Brücke. "Aber komischerweise nur, wenn sie deshalb die S-Bahn nach Hause verpassen. Nicht, wenn sie zu spät zur Arbeit kommen", sagt Weber schmunzelnd.

Neben seinem Lenkrad leuchtet auf einem großen Bildschirm "+1", eine Minute Verspätung. Er steuert die Haltestelle "Klinikum Nord" an und hat in der Ferne eine Rollstuhlfahrerin entdeckt. Er wartet, öffnet die Tür und sucht mit seinen wachen Augen durch die Brille nach einem Anzeichen, ob sie noch mitfahren will: "Das ist eigentlich eine von den Menschen, die jeden Tag mitfahren." Heute nicht, Türe zu, weiter geht's.

Souverän lenkt er den Linienbus am Ende der Linie 550 wieder unter dem Schönen Turm durch. Für heute war das Webers letzte Fahrt: Feierabend. Nach Hause fährt er aber jetzt mit dem Auto, in seinem Heimatort Reisen bei Eitting halten nur selten Busse. Außerdem, sagt er, "mag ich auch mal schneller als 80 Stundenkilometer fahren."

© SZ vom 07.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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