Aktionswoche Alkohol auch in Erding:Mehr Aufmerksamkeit für Trinker

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Alkohol gehört für die meisten Erwachsenen zum Alltag. Fast 140 Liter alkoholische Getränke konsumiert ein Deutscher im Jahr. (Foto: Florian Peljak)

Während der Aktionswoche Alkohol sucht die Erdinger Suchtberatungsstelle Prop den Kontakt zu Ärzten. Sie sollen bei ihren Patienten genauer hinschauen - und notfalls ein klärendes Gespräch führen

Von Veronika Wulf, Erding

Wer häufiger als einmal pro Woche mehr als einen halben Liter Bier trinkt, der könnte schon einen "problematischen Konsum" aufweisen. Zumindest ergibt das ein Test, den die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) zur "Aktionswoche Alkohol" herausgegeben hat. Vom Alkoholiker sei das noch weit entfernt, doch es lohne sich, früh einzugreifen, sagt Thomas Pölsterl, der Leiter der Erdinger Suchtberatungsstelle Prop. Deshalb macht der Prop-Verein wieder bei der bundesweiten, von der DHS organisierten Aktionswoche mit, die dieses Jahr vom 13. bis 21. Mai stattfindet. Pölsterl und seine Kollegen werden das Gespräch mit Hausärzten im Landkreis suchen und den Selbsttest der DHS in den Wartezimmern auslegen.

"Die überwiegende Mehrheit aller alkoholproblematischen Menschen hat regelmäßig Kontakt zu ihrem Hausarzt", sagt der Psychologe Pölsterl. Doch die Wenigsten finden den Kontakt zu einer Beratungsstelle. Das wollen die Mitarbeiter von Prop ändern und sprechen in der Aktionswoche mit etwa vierzig Ärzten im Landkreis. Diese wüssten aufgrund von Leberwerten oder Alkoholfahnen bei der Sprechstunde meist sehr gut, wenn einer ihrer Patienten zu viel trinkt. "Aber einige haben ein Problem damit, den Patienten damit zu konfrontieren." Außerdem weisen die Prop-Mitarbeiter die Ärzte darauf hin, dass sie nicht nur Ansprechpartner für süchtige, sondern auch für "riskant Konsumierende" sind.

Doch was bedeutet das? Alkohol gehört für die meisten Erwachsenen zum Alltag. Knapp zehn Liter reinen Alkohol im Jahr konsumiert ein Deutscher, das sind fast 140 Liter alkoholische Getränke. Der weltweite Durchschnitt liegt bei gut sechs Liter reinem Alkohol. "Daran hat sich in den letzten Jahrzehnten wenig geändert", sagt Pölsterl. Das zeigt sich auch in den Statistiken von Prop: Alkohol ist stets das häufigste Suchtmittel. 60 Prozent der Hilfesuchenden, die 2016 zu Prop kamen, waren wegen Alkoholproblemen da. All diese Zahlen helfen allerdings wenig, um sich selbst richtig einzuschätzen. Deshalb legt Prop in der Aktionswoche einige anonyme Selbsttests in den Wartezimmern der Ärzte aus.

Die auf Visitenkarten-Größe gefalteten DIN-A4-Blätter kann jeder mitnehmen. Darauf stehen sechs Fragen wie: "Wie oft trinken Sie ein alkoholisches Getränk? a) Häufiger als einmal pro Woche, b) Höchstens einmal pro Woche", oder: "Haben Sie schon einmal das Gefühl gehabt, dass Sie Ihren Alkoholkonsum verringern sollten? a) Ja, b) Nein". Wer bereits zweimal a) ankreuzt, könnte ein Problem haben - muss aber nicht.

"Jeden Tag zwei Halbe sind bei weitem noch kein Alkoholismus", sagt Pölsterl. Für eine Alkoholabhängigkeit gäbe es zwei "Kardinalsymptome": erstens den Kontrollverlust, etwa wenn man, einmal angefangen, nicht mehr aufhören kann zu trinken, und zweitens körperliche Entzugserscheinungen wie Zittern am Morgen. Treten körperliche oder psychische Schäden auf, zum Beispiel eine Leber- oder Darmentzündung, Bluthochdruck, Gicht, Angststörungen oder Depressionen, gilt das laut Pölsterl durchaus als problematischer Konsum, jedoch nicht unbedingt als Abhängigkeit. Noch eine Stufe darunter ist das sogenannte riskante Trinken, das sich durch die Menge oder die Umstände des Trinkens zeigt. "Trinkt jemand regelmäßig vor der Arbeit, dem Sport oder dem Autofahren oder gezielt, um Probleme zu bewältigen, dann muss man die warnende Hand heben", sagt Pölsterl. Sonst führe das zu körperlichen oder psychischen Schäden. Schon beim riskanten Trinken bietet der Prop-Verein Hilfe.

Noch eine Stufe drunter kommen alle, die Alkohol trinken, also 90 Prozent der Bevölkerung in Deutschland, wie der Verein mitteilt. Auch an sie richtet sich die Aktionswoche. Denn selbst wenn der Rausch ausbleibt: Alkohol ist für mehr als 200 Krankheiten mitverantwortlich und kann Krebs auslösen, heißt es in einer Pressemitteilung des Prop.

© SZ vom 15.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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