Der Zauberwürfel boomt:Schnelldenker mit flinken Fingern

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Der 17-jährige Erdinger Jan Smarschevski ist ein Meister am "Rubiks Cube" - der Zauberwürfel ist sein ständiger Begleiter.

Matthias Vogel

Erste Ebene oder "First Layer", wie der Speedcuber sagt: Sohn Jan ist neun Jahre alt, als ihm Juri Smarschevski den Zauberwürfel in die Hand gibt. Er hat ihn wohl aus der Kiste mit der Aufschrift "1980er Jahre-Krempel", die im Keller steht, herausgekramt. Der heute 38-Jährige hat den Boom von Rubik's Cube Anfang der 80er als Kind miterlebt.

Am Erdinger Anne-Frank-Gymnasium hat der 17-jährige Jan Smarschevski einen richtigen Zauberwürfelboom ausgelöst. Schlagen konnte ihn dort am Rubik's Cube noch keiner. (Foto: Peter Bauersachs)

Warum sollte sein Sohn Jan also nicht auch versuchen, das vom ungarischen Architekten Ernö Rubik entwickelte mechanische Puzzle so schnell wie möglich zu lösen? "Inspection Time" heißt im Fachjargon die für das Studium des verdrehten Würfels benötigt wird. Bei Meisterschaften beträgt sie 15 Sekunden, dann darf der "Cuber" starten. Jan studierte den Würfel zunächst nicht lange, er lernte die Grundzüge von seinem Vater, dann legte er ihn in die Kiste zurück.

Zweite Schicht, "Second Layer": Mit 14 Jahren ist es Jan, der den Würfel wieder zum Leben erweckt. Weil er die Lösung vergessen hat, erkundigt er sich noch einmal bei Vater Juri. Danach entwickelt er zu dem Knobel-Spielzeug eine Leidenschaft, die der ersten Generation von süchtigen Spielern vollkommen fremd sein dürfte. Jan besucht mittlerweile das Anne-Frank-Gymnasium. Rubiks Cube ist sein ständiger Begleiter. "Ich habe in der Schule einen echten Boom ausgelöst", sagt der heute 17-Jährige. Bald verebbte die Begeisterung bei den Schulkameraden wieder, bei ihm nicht. Heute sitzt er in einem Erdinger Café, hat eine spezielle Stoppuhr vor sich liegen. "Die benutzen diese Typen, die Becher aufeinanderstapeln", sagt er. "Aber für uns ist sie auch geeignet." Der Zauberwürfel ist gründlich verdreht. Inspection Time. Jan legt los.

Er dreht die verschiedenen Schichten, ohne umzugreifen. Jeder Finger ist im Einsatz. Wer selber schon einmal sein Glück am Cube versucht hat, muss nur aufgrund der koordinativen Leistung bewundernd den Hut ziehen. Jans Pupillen flackern blitzschnell hin und her, er wirkt wie Superman, der in den alten Filmen im Zeitraffer wieder etwas zusammensetzt, was in tausend Teile zerborsten war. Plötzlich wirft er den fertig sortierten Würfel auf den Tisch und tippt auf den Timer: "16,78 Sekunden, schreiben sie das bloß nicht, das ist peinlich", sagt er und feixt. Eine Erklärung hat er auch für sein "Versagen": "Ich habe kalte Finger." Jans Zeit ist höchstens ihm peinlich. Der Rekord von Vater Juri aus den 1980er Jahren liegt knapp unter einer Minute.

Observation Last Layer: Der Speedcuber entscheidet sich nach den ersten beiden Ebenen im Bruchteil einer Sekunde, welche Algorithmen zur Komplettierung des Zauberwürfels angebracht sind. Jan hat kürzlich bei einem Turnier in Dresden den deutschen Rekord geknackt: "8,61 Sekunden." Der Weltrekord liegt bei 7,08 Sekunden. "Ein Holländer", sagt Jan, und Respekt schwingt mit in seiner Stimme. Eine einzelne Zeit beschreibt aber nicht die wahre Güte eines Speedcubers. Fünf Versuche hat er bei Meisterschaften, dann wird der Durchschnitt ermittelt. Jan ist stark, 10,7 Sekunden ist hier sein Rekord.

13,78 Sekunden für den Titel

Im vergangenen Jahr reichten ihm 13,78 Sekunden, um in Düsseldorf die Deutsche Meisterschaft zu gewinnen. In Bottrop will er am 11. und 12. September seinen Titel verteidigen. Im Jahr des 30. Geburtstags des Würfels ist er der Gejagte: "Cornelius Dieckmann ist wohl der härteste Konkurrent", sagt er und legt das Spielgerät in einen mit Schaumstoff ausgepolsterten Alu-Koffer zurück. Dort liegen verschiedene Exemplare mit unterschiedlichen Seitenlängen. Der Original-Würfel hat drei mal drei Teilflächen, der größte sieben mal sieben. Jan kann sie natürlich alle flugs lösen.

"DNF - Did Not Finished", lautet die frustrierende Ansage des Kampfgerichts, wenn der Würfel noch gar nicht fertig ist, obwohl der Speedcuber seine Zeit gestoppt hat. Das passiert Jan selten, doch "Did Not Finished" trifft auf ihn dennoch zu. "Viele fragen mich, ob das nicht langweilig wird. Aber das wird es nicht. Ich will einfach immer schneller werden." In der Szene versteht man ihn ohnehin, die Fußballkollegen der SpVgg Altenerding und die Schulkameraden haben sein Hobby auch akzeptiert.

Zu Hause freut man sich gehörig, wenn Jan einen Titel mit nach Hause bringt. Vater Juri dreht nicht mehr den Würfel, wohl wissend, dass er zwar etwas von seinem Filius lernen kann, ihn aber nie übertreffen wird. "Wenn ich mal erst in 20 Sekunden fertig werde, flachst er mich, er könne diese Zeit ja mit der linken Hand unterbieten. Gesehen habe ich das noch nicht", sagt Jan und feixt schon wieder.

© SZ vom 21.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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