Bockhorn:Nicht viel und doch so wertvoll

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Die Betriebsmittel von Lorenz Lex sind eine weit gestellte Fruchtfolge, der Dung von 400 Hühnern, Millionen von Regenwürmern und eine schonende Bodenbearbeitung. Der Bockhorner Biohof erhielt für sein konsequentes Konzept den 1. Preis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt

Von Katharina Aurich, Bockhorn

Lorenz Lex hat seit 35 Jahren weder Pflanzenschutzmittel noch Düngemittel bestellt. Dennoch bewirtschaftet er gemeinsam mit seinen vier Töchtern, - drei sind Landwirtinnen und eine ist Landschaftsarchitektin - 115 Hektar fruchtbares Ackerland bei Bockhorn. Seit Beginn des 17. Jahrhunderts ist der Hof in Familienbesitz. Seine Betriebsmittel sind eine weit gestellte Fruchtfolge mit 18 verschiedenen Anbaukulturen und Sorten, der Dung von 400 Hühnern, unzählige Millionen Regenwürmer und eine schonende Bodenbearbeitung. Das ist nicht viel und doch sehr wertvoll, denn mit seiner Wirtschaftsweise erhält Lex die Böden, auf denen er Nahrungsmittel und vor allem auch Saatgut für andere Biobetriebe erzeugt, gesund und lebendig.

Dieses konsequente Konzept überzeugte auch die Jury der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, die im "Internationalen Jahr des Bodens" 2015 den Biohof Lex mit dem ersten Preis für "Landbewirtschaftung" auszeichnete. Aus ganz Deutschland kamen Bewerbungen. Ganz besonders freute sich Bernadette Lex, eine der vier Töchter, über den Preis. Damit hatte sie nicht gerechnet, denn im Auswahlgremium säßen die bekanntesten Experten in Sachen Naturschutz und Biolandwirtschaft, die Latte hänge sehr hoch, berichtet die junge Frau. Aber sie konnte für ihren 20-seitigen Antrag ihre Magisterarbeit verwenden, die sie an der TU-München in Weihenstephan erarbeitet und dafür 1600 Bodenproben aus Felder gezogen hatte, die 35, zehn oder nur fünf Jahre lang biologisch bewirtschaftet wurden. Damit verfügte sie über ein umfassendes Datenmaterial, wie positiv sich Ökolandbau auf die Bodengesundheit auswirkt.

Auch für Lorenz Lex ist dieser Preis, 35 Jahre nachdem er sich entschieden hatte, mit seinem Hof einen anderen als den üblichen Weg einzuschlagen, eine schöne Bestätigung. Eine wissenschaftliche Grundlage gab es freilich damals für diese weitreichend und auch riskante Entscheidung nicht. Lex hatte den elterlichen traditionellen Gemischt-Betrieb aus Ackerbau und Tierhaltung übernommen und begann ihn 1977 umzustellen. "Als Biobauer stand man damals allein auf weiter Flur, kein Mensch sprach damals über Öko", erinnert er sich. Lex errichtete auf seinem Hof eine große Mühle und Getreidereinigungsanlage, denn "mit der Verarbeitung und der Direktvermarktung bleibt die Wertschöpfung auf dem Hof". Außerdem bedeutet dies auch Sicherheit für den Verbraucher, denn er könne die Entstehung seines Produktes lückenlos verfolgen.

Da immer mehr Kunden auf den Hof kamen, entstand neben der Mühle ein kleiner Hofladen. Außerdem werden die Produkte heute an Privatabnehmer verschickt oder gehen an die Tagwerk-Genossenschaft. Der leidenschaftliche Biolandwirt begann, vielfältige Kulturen und Sorten wie Pupurweizen, Dinkel und später dann Soja und Buchweizen anzubauen, aber es fehlt oftmals das Saatgut dafür. So wurde Lex auch eine Art Detektiv auf der Suche nach alten Sorten in Deutschland, Österreich oder der Schweiz. Er nahm Kontakt auf zu Vereinen und einzelnen Bauern, die Vielfalt erhalten wollten, um den gängigen Monokulturen in der Landwirtschaft etwas entgegen zu setzen.

Inzwischen baut die Familie Lex auf rund 40 Prozent ihrer Flächen Dinkel, Soja, Braunhirse oder Nackthafer sowie Zwischenfrucht- und Gründüngungsmischungen aus Buchweizen Sommerwicke, Alexandrinerklee und Ölrettich zur Saatgutgewinnung an. Begeistert ist Lex von der Sojabohne, "sie enthält 40 Prozent Eiweiß und wächst super auf unseren Böden". Er könne nicht verstehen, warum sich so viele Landwirte vom gentechnisch veränderten Sojaimporten abhängig machten. Da die Fruchtfolge auf seinen Äckern sehr weit gesteckt ist und lange Zeit vergehe, bis die selbe Kultur wieder auf einem Standort angebaut wird, hätten die Pflanzenschädlingen keine Chance, erklärt Lex. Sehr sorgsam geht der Landwirt mit seinen Böden um, die Strukturen und die darin lebenden Regenwürmer sollen möglichst wenig zerstört werden. Daher verzichtet er inzwischen auf zwei Drittel seiner Flächen ganz auf das Pflügen, "jeder starke Eingriff schwächt den Boden". Statt dessen arbeitet er mit einer Kurzscheiben-Egge, nach der Ernte der Hauptfrucht kommt sofort eine Zwischenfruchtmischung auf das Feld. Sie bedeckt die Überfläche, liefert Nahrung für die Regenwürmer und die Leguminosen wandeln mit den Knöllchenbakterien an ihren Wurzeln den Luftstickstoff in Pflanzen verfügbaren Stickstoff um. Einen Nitratüberschuss, der das Grundwasser belastet, gibt es auf Lex Äckern nicht. Auch die Phosphatlieferung erledigt die Natur selbst, da der Buchweizen das im Boden gebundene Phosphat aufschließt und ebenfalls für Pflanzen verfügbar macht.

Schließlich kommt auch noch der Dung von 400 Hühnern auf die Felder. Sie sinddie Lieblinge von Bernadette Lex. Wenn sie sich dem Stall mit dem großen Auslauf nähert, kommen sie sofort in der Hoffnung auf ein paar Körner herbei geflattert. Nach einer Legeperiode werden sie abgegeben und neue Tiere eingestallt, da dann die Leistung nachlässt. Aber als sie das erste Mal zum Schlachthof fuhr, war für sie klar, "nie wieder", erinnert sich die Landwirtin. Alle Mitglieder der Familie sind schon lange Vegetarier und die Kühe und Schweine schon längst abgeschafft, aber die Hühner gehören zum Hof.

Damit sie nach einer Legeperiode nicht als Suppenhuhn enden, erfand Bernadette Lex ihre "Omaliste". Drauf stehen Familien oder ältere Menschen, die privat eine kleine Hühnerherde halten und gerne ein Paar Tiere vom Biohof übernehmen. Hühner werden circa sechs Jahre alt, sie legen allerdings immer weniger Eier, haben aber dank der "Omaliste" noch ein glückliches Leben.

Zum Hof gehören außerdem die hübschen Kamerun-Schafe, sie halten das Gras rund um Pflanzenkläranlage kurz. Natürlich sind sie handzahm, sehr zur Freude der vielen Schulklassen, die regelmäßig auf den Hof kommen. Denn Familie Lex beteiligt sich am Programm "Erforsche die Vielfalt auf einem Biohof", in dem jungen Menschen spielerisch biologische Vielfalt und gesunde Ernährung erleben.

© SZ vom 06.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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