Betrunkene Autofahrer:"Das sind tickende Zeitbomben"

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Die Polizeiinspektion Erding vermeldet nahezu täglich Trunkenheitsfahrten. Mit der SZ spricht der stellvertretende Inspektionsleiter Harald Pataschitsch über extrem hohen Promillewerte

Interview von Regina Bluhme, Erding

Wieder einmal tauchen zwei schwer betrunkene Autofahrer mit mehr als 2,5 Promille im Bericht der Polizeiinspektion (PI) Erding auf. Der eine verursachte mit 2,82 Promille in Eichenkofen einen Unfall, der andere kam zwischen Erding und Dorfen mit 2,76 Promille von der Straße ab. Nahezu täglich vermeldet die Polizei Trunkenheitsfahrten im Landkreis. Ob das an vermehrten Kontrollen oder einem höheren Alkoholkonsum liegt, konnte Harald Pataschitsch im Gespräch mit der SZ nicht mit Sicherheit sagen. Aber eines ist dem stellvertretendem Inspektionsleiter in jüngster Zeit aufgefallen: Einige Promillewerte sind extrem hoch.

SZ Erding: Herr Pataschitsch, gefühlt vergeht in letzter Zeit kein Tag, an dem nicht eine Polizeimeldung über eine Trunkenheitsfahrt hereinkommt.

Harald Pataschitsch: Ob es tatsächlich mehr geworden sind oder nur gefühlt, das kann ich leider nicht sagen, da ich die Lage statistisch nicht ausgewertet habe.

Die meisten Alkoholfahrer rauschen ja in eine Verkehrskontrolle. Vielleicht kontrollieren Sie einfach mehr als früher.

Wenn man viel kontrolliert, dann erwischt man auch mehr. Auch Alkoholfahrer. Aber in letzter Zeit ist etwas auffällig: die extremen Zahlen. Schauen Sie nur heute: zweimal mehr als 2,5 Promille. Das sind tickende Zeitbomben.

Kann man denn mit 2,8 Promille überhaupt noch Auto fahren?

Die meisten würden es mit 1,5 Promille schon nicht mehr schaffen. Wer mit so hohen Promillewerten noch ein Auto starten kann, muss regelmäßig Alkohol trinken.

Wie viel Bier hat jemand getrunken, der mit 2,8 Promille unterwegs ist?

Das kann man pauschal nicht sagen, das kommt auch drauf an, wie groß und schwer jemand ist. Aber der hat ganz sicher ordentlich getrunken.

Im Polizeibericht heißt es manchmal: Der Autofahrer zeigte alkoholbedingte Ausfallerscheinungen. Wie sehen die aus?

Er ist an einem Verkehrsunfall beteiligt, er lallt, hat einen glasigen Blick, manche sind extrem nervös oder zittern. Ziemlich eindeutig ist ja, wenn er zuvor Schlangenlinien gefahren ist.

Wie reagieren denn die Fahrer?

Es gibt welche, die behaupten, sie hätten nur ein Bier getrunken. Andere verweigern einen freiwilligen Atemalkoholtest. Dann geht es beim Verdacht einer Straftat zur Blutentnahme ins Klinikum.

Ab wie viel Promille wird es kritisch?

Grundsätzlich liegt die Grenze bei 0,3 Promille. Aber es hängt auch davon ab, ob Sie unauffällig sind. Wenn Sie keine Ausfallerscheinungen zeigen und Ihr Atemalkoholtest 0,4 Promille ergibt, können Sie weiterfahren. Haben Sie zwischen 0,5 bis 1,1 Promille, kriegen Sie ein Fahrverbot zwischen ein bis drei Monaten. Und wenn die Werte höher liegen, gibt es einen Fahrerlaubnisentzug, in der Regel von zwölf Monaten. Ab 1,6 Promille wird normalerweise eine MPU, einer medizinisch-psychologischen Untersuchung, angeordnet.

Und wenn ich auffällig bin?

Wenn Sie in Schlangenlinien daher kommen, dann können Sie schon mit 0,4 Promille dran sein.

Wer ist eher betrunken unterwegs: jüngere oder ältere?

Ich dachte immer, es sind vor allem Ältere. Einer der beiden stark angetrunkenen Fahrer von Montag war 33 Jahre alt. Das hat mich ein bisschen überrascht.

Und was ist mit den ganz Jungen, die den Führerschein auf Probe haben und mit 0,0 Promille unterwegs sein müssen?

Die kommen tatsächlich kaum vor. Ist ja auch verständlich. Wenn da einer angetrunken erwischt wird, muss er den Führerschein komplett neu machen. Und das wird richtig teuer.

Vielleicht ist Erding ja gar kein Sonderfall. Vielleicht vermelden andere Inspektionen Trunkenheitsfahrten einfach nicht.

Das kann schon sein. Es kommt auch darauf an, was sonst noch an tagesauffälligen Meldungen da ist, zum Beispiel eine öffentliche Körperverletzung oder Einbrüche. Da fällt dann die eine oder andere Meldung raus. Es kommt auch auf den Kollegen an, der gerade Dienst hat. Aber Trunkenheitsfahrten mit mehr als 2,5 Promille werden sicher vermeldet.

Montag, 11.11., war Faschingsbeginn. Rechnen Sie mit mehr Alkoholfahrten?

In der Faschingszeit und während des Herbstfests rechnen wir schon damit. Wie immer werden wir verstärkt kontrollieren.

Wie hoch ist die Dunkelziffer?

Es gibt keine Studie darüber. Aber klar ist, dass auf jeden erwischten Alkoholsünder ein Vielfaches an alkoholisierten Fahrern kommt, die wir nicht erwischen. Ich möchte weder vor noch hinter so einem fahren, noch ihm entgegen kommen. Da wird es wirklich gefährlich.

© SZ vom 12.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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