Berliner Kriminalitätstourismus:Mit falscher Identität Auto ergaunert

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Ein 26-Jähriger wird wegen Betrugs und Urkundenfälschung zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Auch die Hintermänner des Verbrechens müssen sich vor Gericht verantworten

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Die Tat war von langer Hand geplant und konnte von einer Person allein nicht durchgeführt werden - so viel stand am Ende der Verhandlung wegen Betrugs und Urkundenfälschung fest. Ein Täter stand ebenso fest, der dafür gesorgt hatte, dass ein Erdinger Autohaus ein rund 50 000 Euro teures Fahrzeug an einen neuen Besitzer aushändigte, aber nie Geld dafür sah. Der 26-jährige Angeklagte wurde deshalb zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, ausgesetzt auf drei Jahre Bewährung, sowie zu einer Schadenswiedergutmachung verurteilt. Seine beiden Mitangeklagten, vermutlich die Auftraggeber der Straftaten, müssen sich in einem anderen Verfahren noch verantworten, da der ermittelnde Beamte vor dem Amtsgericht nicht schlüssig erklären konnte, wie man ihre Namen ermittelt hatte.

Dass etwas zwischen den drei Angeklagten nicht stimmt, zeigte schon die Sitzordnung: Zwischen dem 26-Jährigen und den beiden deutlich älteren Männern blieb ein Sitz frei. Hinter ihnen saßen einträchtig drei Verteidiger - alle aus Berlin, wie die drei Angeklagten. Weil der 26-Jährige die Tat bei der Vernehmung durch die Polizei ein paar Monate später gestand, war der Betrug leicht zu rekonstruieren. Laut Staatsanwältin hatte er von seinem Vermieter, dem 45-jährigen Angeklagten mit österreichischem Pass, im Frühjahr 2015 einen gefälschten österreichischen Personalausweis erhalten. Damit fuhr er zur Gemeindeverwaltung in Waakirchen im Landkreis Miesbach, um sich unter falschem Namen anzumelden. Mit der Meldebescheinigung ging es zur dortigen Raiffeisenbank, um ein Konto zu eröffnen.

Der nächste Schritt führte ihn nach Erding. Bei einem Autohändler kaufte er das laut Staatsanwältin 49 900 Euro teure Fahrzeug. Um von der Bank des Autoherstellers den dafür nötigen Kredit zu bekommen, legte er neben dem falschen Personalausweis die erschlichene Meldebescheinigung, den Kontonachweis und zwei ebenfalls gefälschte Gehaltsabrechnungen vor, wonach er im Januar und Februar jeweils 2282 Euro verdient haben will. Eine Anzahlung von 5000 Euro, die der 26-Jährige vorab vom Mitangeklagten bekommen haben soll, machte das Geschäft perfekt. Als das Auto ein paar Wochen später zur Abholung bereit stand, fuhr ihn sein Vermieter und vermutlicher Auftraggeber in Berlin zum Bahnhof. In München angekommen, sei er vom dritten Angeklagten zum Erdinger Autohaus gefahren worden. Er nahm das Fahrzeug in Empfang, es wurden Miesbacher Nummernschilder darauf geschraubt und er übergab das Auto einer weiteren Person, die damit dann weg fuhr.

Im September meldete das Autohaus den Fall, da keine Ratenzahlungen getätigt wurden, und erstattete Anzeige. Das Auto tauchte im weiteren Verlauf nur noch einmal wieder auf, ehe es endgültig vom Radar der Ermittler verschwand: Schweizer Polizisten hatte es geblitzt, weil es zu schnell unterwegs war.

Ab diesem Zeitpunkt wurde es kompliziert vor Gericht, sodass sich Richter Björn Schindler öfters genötigt sah, beim Zeugen, dem ermittelnden Beamten bei der Kripo Erding, nachzufragen. Seinen Vermieter als Mittäter hatte der 26-Jährige gestanden, aber ansonsten nur noch einen Vornamen genannt. Mehr wollte er nicht sagen, weil er Angst habe, dass ihm sonst in Berlin etwas zustoße, wenn er Namen nenne, wie sein Verteidiger sagte. Sein Mandant sei mehr oder weniger zur Mittäterschaft gedrängt worden, weil man gedroht habe, dass sonst seiner Verwandtschaft etwas passiere. Auf den 26-Jährigen kam die Polizei, weil er einmal seine Handynummer angegeben hatte, wie der Kripobeamte aussagte. Whatsapp-Nachrichten hätten dann zu seinem Vermieter geführt, den er auf einem vorgelegten Lichtbild identifizierte.

Wie aber kam die Polizei auf den dritten Angeklagten, einen 61-jährigen Österreicher? Durch "Recherche", was in dem "komplizierten Fall" nicht einfach gewesen sei. Man habe einen Vornamen gehabt, in Datenbanken auf Verbindungen zu den zwei Beschuldigen gesucht und dann habe man das Halterermittlungsgesuch der Kollegen aus der Schweiz erhalten - mit einem Foto vom Fahrer am Steuer. Da das Fahrzeug zur Fahndung ausgeschrieben gewesen sei, habe man eine Verbindung gesucht und anhand von Fotos eine gefunden. Der Fahrer soll der Sohn des dritten Angeklagten sein, dessen Vornahme dem sehr ähnlich sei, den der 26-Jährige nannte. Doch den genauen Rechercheweg konnte der Zeuge nicht sagen. Das soll er jetzt rekonstruieren. Dann soll die Verhandlung gegen die beiden weiteren Angeklagten eröffnet werden.

© SZ vom 19.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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