Baugenossenschaft Erding:Die Revolution ist vorerst gescheitert

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Viele Mitglieder der Baugenossenschaft Erding wünschen sich, dass Sonja Kienle wieder Vorstand wird. (Foto: Renate Schmidt)

Der Versuch, den Aufsichtsrat neu zu besetzen, misslingt. Viele Mitglieder wünschen sich aber Sonja Kienle zurück

Von Thomas Jordan, Erding

Die Revolution ist vorerst gescheitert, es rumort aber weiter gewaltig in der Baugenossenschaft Erding. Bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung am Donnerstagabend konnte sich die Gruppe um das ehemalige Vorstandsmitglied Sonja Kienle nicht damit durchsetzen, ihre Wunschkandidaten in den Aufsichtsrat zu bringen. Aber auch die Aufsichtsratschefin Eva Kolenda bekommt von den Mitgliedern einen Denkzettel: Sie soll trotz aller persönlicher Differenzen noch einmal versuchen, Sonja Kienle zum Weitermachen im Vorstand zu bewegen. Kienle, die dem Vorstand zehn Jahre lang angehört hatte, war aus Ärger über das Angebot aus dem Aufsichtsrat, ihren Vertrag nur um ein Jahr zu verlängern, Ende Juni ausgeschieden.

Die Aussprache sollte verhindert werden.

Die außerordentliche Versammlung im fast vollbesetzten Saal des Erdinger Weißbräu war nötig geworden, weil Kolenda bei der Jahreshauptversammlung der Baugenossenschaft (BG) Mitte Juni nach einer hochemotionalen Debatte vergessen hatte, die anstehenden Neuwahlen der Aufsichtsratsposten durchzuführen. Der Nachholtermin führte nun vor allem eines vor Augen: Das Vertrauen zwischen Vorstand, Aufsichtsrat und den knapp 150 anwesenden Mitgliedern der Baugenossenschaft ist massiv beschädigt. Gleich nach Eröffnung der Mitgliederversammlung scheiterte der Antrag von Margot Hoigt, den Kolenda verlas, die geplante Aussprache über die Querelen zwischen Vorstand und Aufsichtsrat von der Tagesordnung zu streichen.

Es folgte eine eineinhalbstündige hitzige Diskussion, bei der sich Eva Kolenda immer wieder auf ihr Recht als Aufsichtsratschefin berief, Auskünfte über Personalangelegenheiten zu verweigern. Kolendas Schweigen zu den Gründen für den Knall in der BG brachte viele Mitglieder in Rage. So forderte der langjährige SPD-Stadtrat und ehemalige AWO-Chef Fritz Steinberger Kolenda lautstark auf, die Mitglieder der Genossenschaft endlich ernst zu nehmen und Gründe für den Streit zwischen ihr und Kienle zu nennen. "Es ist demokratisch notwendig, dass das endlich ausgesprochen wird", sagte Steinberger. BG-Mitglied Richard Schröter drohte sogar damit, dass die Mitglieder den Aufsichtsrat nicht entlasten könnten, sollte dieser die Vorwürfe gegen Kienle nicht belegen können.

Der Aufsichtsrat will Mitbestimmung, der Vorstand lehnt das ab.

Den Vorwurf, Kienle habe sich in ihrer Vorstandsarbeit Verfehlungen geleistet, versuchte Kolenda dann stillschweigend zu beerdigen. Sie bestritt sogar, jemals von Verfehlungen gesprochen zu haben. Das quittierten einige Mitglieder mit Protestrufen. Am Ende war es Kienle selbst, die mit ihrer Wortmeldung etwas Licht ins Dunkel brachte. Der Kern des Streits zwischen Vorstand und Aufsichtsrat liegt laut Kienle in einer unterschiedlichen Auffassung über die Befugnisse des Vorstands: "Der Aufsichtsrat will mehr Mitbestimmung", sagte die promovierte Betriebswirtin.

Das Gremium werfe dem Vorstand vor, zu wenige Informationen weiterzuleiten und wolle "in die Politik des Vorstands hineinregieren". Kienle lehnt das ab. Massiver Streit hatte sich zuletzt an der Entscheidung des Vorstands entzündet, aus wirtschaftlichen Gründen statt der geplanten 60 nur 16 Wohnungen im Baugebiet Südlicher Thermengarten in Erding neu zu bauen. Kolenda, die seit vielen Jahren auch Vorsitzende des Mietervereins ist, hatte diese Beschränkung stark kritisiert. Die Mitglieder selbst, das wurde an diesem Abend deutlich, wünschen sich vor allem eines: dass wieder Ruhe einkehrt in den Führungsgremien der BG. "Die sollen sich zusammenraufen", sagte Elise Beil, die seit neun Jahren Genossenschaftsmitglied ist.

Nicht mehr als eine Empfehlung

Viele Genossenschaftler plädierten dafür, dass Sonja Kienle in den Vorstand zurückkehrt. Sie habe viel Erfahrung, sagte Sepp Klinger, der seit 35 Jahren in Genossenschaftswohnungen wohnt. Richard Schröter verlieh dieser Stimmung Ausdruck, indem er kurzerhand den Antrag stellte, dem Aufsichtsrat zu empfehlen, Sonja Kienle wieder für fünf Jahre als Vorstandsmitglied einzustellen. Schröters Antrag wurde mit 65 Ja-Stimmen angenommen. Eine solche Empfehlung der Mitglieder ist allerdings für den Aufsichtsrat nicht bindend, wie der Rechtsexperte Stefan Roth den Teilnehmern erläuterte. Der Jurist war als Streitschlichter aus dem Vorstand des Genossenschaftsdachverbandes VdW nach Erding gekommen.

Für Aufregung sorgte dann erneut Richard Schröter, der anzweifelte, dass die Wahl von Thomas Kronseder als neues Aufsichtsratsmitglied Mitte Juni rechtmäßig abgelaufen sei. So mussten statt der geplanten zwei Aufsichtsratsposten drei Posten neu gewählt werden. Damit witterten die Kolenda-Kritiker ihre Chance. Neben Richard Schröter selbst kandidierte auch der von Kienle vorgeschlagene Thomas Haueisen. Die Kolenda-Kritiker konnten sich allerdings bei der Abstimmung nicht durchsetzen. Stattdessen wurden Kolendas Wunschkandidaten gewählt.

Dem Gremium gehören nun neben Christian Cosimo und Walter Schachtner auch Thomas Kronseder und erneut Stefanie Seifen und Gertrud Scheffelmann an. Nach der Veranstaltung kündigte Eva Kolenda an, ein neues Gesprächsangebot an Sonja Kienle richten zu wollen. Schröter bestätigt auf Nachfrage der SZ, er wolle es fürs erste damit auf sich beruhen lassen. Er habe aber die Erwartung an den Aufsichtsrat, die Versammlung als "Wink mit dem Zaunpfahl" zu verstehen: "Weg von den ideologischen Vorstellungen, hin zur Realität."

© SZ vom 28.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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