Bauen im Landkreis:Ein Baustein ohne Tragfähigkeit

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Richtig beliebt sind die Begünstigtenmodelle, die Nachfolger der früheren Einheimischenmodelle: Für die 15 Reihenhäuser, die im Südlichen Thermengarten in Erding errichtet werden, bewarben sich 115 Interessenten. (Foto: Renate Schmidt)

Seit Juli 2015 gibt es im Landkreis Erding das Soziale Erbbaurechtsprogramm, das Familien den Bau eines Eigenheims erleichtern sollte. Seit seiner Einführung kam das Modell kein einziges Mal zur Anwendung

Von Florian Tempel, Erding

Helga Stieglmeier, die Fraktionssprecherin der Grünen, war von Anfang an skeptisch. Als das Modell vor fünf Jahren im Kreisausschuss erstmals diskutiert wurde, sagte sie voraus, dass das von der CSU eingebrachte Soziale Erbbaurecht wenig bringen werde und keine "effiziente Möglichkeit" darstelle, das Wohnraumproblem zu lösen. Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) räumte ein, dass es im Erdinger Modell sicher nicht "Tausende" Erbbauprojekten geben werde, es sei aber immerhin ein "weiterer Baustein". Im Juli 2015 trat das Erbbaurechtsprogramm in Kraft. Nach mehr als vier Jahren lässt sich feststellen, dass es weder ein Renner noch ein Baustein ist. Es funktioniert überhaupt nicht.

Das Ziel des Modells auf Erbbaurechtsbasis war es, jungen Familien mit wenig Eigenkapital und mittlerem Einkommen den Bau oder Erwerb eines angemessenen Eigenheims zu ermöglichen. Durch die Bereitstellung von Grundstücken in Erbbaurecht sollten die Gesamtkosten des Eigenheimbaus erheblich reduziert werden. Zudem sah und sieht das Programm weitere Entlastungen durch Sonderförderungen pro Kind, für schwerbehinderte Familienmitglieder und den Einbau von Einliegerwohnungen vor. Dadurch, dass die Grundstückskosten erst einmal von der Wohnungsbau- und Grundstücksgesellschaft des Landkreises getragen werden, fallen bei der Familie nur noch die reinen Baukosten an. Zu einem späteren Zeitpunkt - auch das wurde eingebaut - könnte der Häuslebauer, wenn er wolle und es sich leisten könne, aus dem Erbbaurechtsvertrag raus und sein Grundstück von der Wohnungsbaugesellschaft erwerben.

Auf eine Anfrage der SZ im Landratsamt, wie gut das Erdinger Modell angenommen wurde, gab es zunächst die Auskunft, "dass sich das Programm zwar reger Nachfrage erfreut", nur "leider scheitert das Ganze meistens an den nicht vorhandenen Grundstücken, die von den Gemeinden zur Verfügung gestellt werden sollten". Das hörte sich nicht wirklich erfolgreich an, aber auch nicht nach einem totalen Flop. Auf eine zweite Anfrage mit der Bitte um genaue Zahlen zu gestellten Anträgen und realisierten Projekten kam dann wenig später diese Antwort: "Offiziell beantragt wurde eine Förderung, die jedoch vom Antragsteller im März 2018 wieder zurückgenommen wurde." Das nüchterne Fazit: "Im Landkreis wurde bislang kein Objekt realisiert." Die Erfolgsquote des vermeintlichen Bausteins Erbbaurechtsprogramm liegt nach vier Jahren also bei stabilen null Prozent.

Eine Erklärung, warum das Modell nicht angenommen werde, stand schon in der ersten Antwort aus dem Landratsamt. Es ist das alte Lied: Die Kommunen stellten keine Grundstücke zur Verfügung und so könne die Wohnungsbaugesellschaft nichts tun.

In dem einzigen Fall, in dem ein Grundstück "offiziell beantragt" wurde, war es nach Auskunft der Verwaltung der Marktgemeinde Wartenberg so: Die Kommune hatte das Baugebiet "Wartenberg-West II" als Einheimischenmodell aufgelegt, bei dem 31 Parzellen zu vergünstigten Preisen an Bauwillige gingen. Nachdem Matthias Vögele, Geschäftsführer der Wohnungsbaugesellschaft, bei einer Gemeinderatssitzung in Wartenberg das Erbaurechtsprogramm vorgestellt hatte, informierte die Gemeindeverwaltung alle Grundstücksbewerber darüber schriftlich. Daraufhin meldete sich der eine Interessent, bei dem es bis zur Antragstellung kam, der seinen Antrag aber letztlich wieder zurücknahm.

Warum das Programm nicht funktionieren will, bleibt unklar. Nun will es die CSU mit einem neuen Modell probieren, das Landrat Bayerstorfer und sein Stellvertreter Jakob Schwimmer in diesem Sommer präsentierten: Die Wohnungsbaugesellschaft soll Wohnungen mit normalem Standard bei Baukosten um die 3000 Euro pro Quadratmeter errichten. Durch einen Mietkaufvertrag erhalte ein Mieter nach 25 oder 30 Jahren das Recht, die Wohnung zu erwerben. Die bis dahin gezahlte Miete werde angerechnet. Der eigentliche Kaufpreis errechne sich aus den zum Zeitpunkt der Fertigstellung vorhandenen Baukosten.

Ähnliche Mietkaufmodelle sind unlängst auch von der FDP in München und vom Deutschen Institut für Wirtschaftsförderung vorgeschlagen worden. In Österreich ist die Möglichkeit, eine öffentlich geförderte Wohnung als Mieter zu erwerben, gesetzlich verankert.

Beim Verband bayerischer Wohnungsunternehmen, dem Dachverband der kommunalen Wohnungsbauunternehmen und Wohnungsgenossenschaften, findet man Soziales Erbbaurecht und Mietkaufmodelle prinzipiell gut. Verbandspräsident Hans Maier schreibt auf Anfrage der SZ, dass beim "Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg das Mietkaufmodell und das soziale Erbbaurecht von vielen Kommunen angeboten" wurde. Angesichts des akuten Mangels an bezahlbarem Wohnraum sollten sie "wieder im Kommen" sein.

© SZ vom 11.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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