Bäume in der Stadt:Schutz oder Bevormundung

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Die Grünen haben eine Baumschutzverordnung für Erding schon vor vielen Jahren gefordert. Nun will auch die CSU ein solches Regelwerk. Dennoch ist eine heiße Diskussion zu erwarten

Von Florian Tempel, Erding

Die Bilder der Abholzungen an der Haager Straße und eines ähnlich radikalen Falls auf einem privaten Grundstück an der Dr.-Henkel-Straße waren deprimierend. Viele Jahrzehnte alte Bäume waren von heute auf morgen umgesägt worden. Darf wirklich jeder Grundbesitzer auf seinem eigenen Grund und Boden schalten und walten, wie es ihm gefällt? Nach den beiden genannten Fällaktionen ist nun auch die Erdinger CSU der Ansicht, dass das in dieser Radikalität nicht mehr geht - und hat die Einführung einer Baumschutzverordnung beantragt. In vielen anderen Städten gibt es solche Verordnungen schon lange. Doch es gibt auch nicht wenige Kommunen, wo sich die Mehrheit vehement gegen die Einführung einer Baumschutzverordnung ausgesprochen oder eine solche sogar wieder abgeschafft hat. Das lässt eines erwarten: Die Diskussion in Erding wird ganz sicher hoch interessant.

Die Kernpunkte einer Baumschutzverordnung, wie es sie in mehr als 100 Kommunen in Bayern gibt, sind immer gleich. Geschützt werden Bäume und mehrstämmige Gehölze ab einem bestimmten Stammumfang, zum Beispiel 60 oder 80 Zentimeter, gemessen ein Meter über dem Boden. Obstbäume sind in der Regel nicht geschützt, in manchen Kommunen auch bestimmte Nadelbäume nicht. Wer einen großen Baum fällen will, muss sich bei der Stadtverwaltung vorher eine Genehmigung dazu einholen, die nur erteilt wird, wenn es gute Gründe gibt. Eine Fällung wird genehmigt, wenn der Baum schwer krank ist - was ein Experte überprüft - oder der Baum die Nutzung des Grundstücks unzumutbar beeinträchtigt. Nicht nur das Fällen, sondern auch das Verstümmeln, Vergiften oder andere zerstörerischen Aktionen gegen einen Baum sind verboten. Bei Zuwiderhandlungen gibt es Geldbußen und die Pflicht zur Ersatzpflanzung, wobei ein großer alter Baum aber nicht durch einen kleinen Hänfling ersetzt werden kann. Die Stadtverwaltung legt fest, in welchem Maß Kompensation geleistet werden muss.

Die Erdinger Grünen haben schon im vergangenen Jahrhundert eine Baumschutzverordnung für Erding gefordert, erinnert sich Grünen-Stadtrat Günther Kuhn. Doch seinerzeit wurde das von den konservativen Kollegen im Stadtrat strikt abgelehnt. Deren Argumenten waren zahlreich: Jeder normal denkende Grundbesitzer geht im Normalfall verantwortungsvoll mit seinem Baumbestand um; eine Verordnung, nach der er sich seinen vernünftigen Willen genehmigen lassen muss, ist bevormundend; vorgeschriebener Baumschutz bringt gar nichts, macht nur viel Verwaltungsarbeit; er wäre sogar kontraproduktiv und fatal, weil vor dem Inkrafttreten der Schutzverordnung sicher schnell noch reihenweise Bäume gefällt würden.

Die Befürworter von Baumschutzverordnungen haben natürlich auch Argumente: jeder Baum, der gefällt wird, ist ein großer Verlust für das Mikroklima in einer Stadt; Bäume nehmen Kohlendioxid auf, liefern Sauerstoff und filtern Feinstaub und Schadstoffe aus der Luft; sie sind Lebensraum für Insekten, Vögel und andere Tiere; die Stadt ist mit Bäumen grüner, schöner und lebenswerter; wenn es eine Baumschutzverordnung gibt, können Privatleute sich kostenlos beraten lassen und ein scheinbar kranker Baum könnte mit fachmännischem Rat gerettet werden; frevelhafte Fällungen müssen nicht mehr klaglos hingenommen werden.

Das Für und Wider einer Baumschutzverordnung ist also vielfältig mit Thesen, Behauptungen und Überlegungen zu unterfüttern. Das ist nicht nur seit Jahren bekannt, sondern wird durch immer neue Debatten bestätigt. Bestes Beispiel ist Markt Schwaben, wo sich der Gemeinderat erst vor vier Monaten in einer hoch emotionalen Auseinandersetzung mit dem Thema befasst hatte. In Markt Schwaben gab es vor Jahren eine Baumschutzverordnung, die dann aber auf Drängen der CSU wieder abgeschafft wurde. Als nun die dortigen Grünen einen Versuch zur Wiedereinführung unternahmen, wäre es im Gemeinderat beinahe zum Tumult gekommen. Was wohl in Erding passiert?

© SZ vom 11.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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