Bärbel Kofler zu Gast in Erding:Unternehmen in der Pflicht

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Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung prangert in Erding Missstände bei der Kleiderproduktion an

Von Jan-Hendrik Maier, Erding

Mehr als 1100 Menschen haben am 24. April 2013 beim Einsturz des "Rana Plaza" in Bangladesch ihr Leben verloren. In dem Gebäude befanden sich mehrere Textilfabriken. Bärbel Kofler (SPD) sieht in der Tragödie ein Sinnbild für die katastrophalen Arbeitsbedingungen in weiten Teilen der Welt. Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung war am Dienstag zu Gast beim SPD-Kreisverband. Vor den Genossen sprach sie über Missstände bei der Produktion von Kleidung, die Verantwortung von Konzernen und über Flüchtlinge.

Dass die Weltgemeinschaft noch weit entfernt ist von dem Anspruch auf "gute" Arbeit für jeden, illustrierte Kofler mit zwei Zahlen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO): 780 Millionen Menschen verdienen am Tag weniger als zwei US-Dollar und 21 Millionen Menschen leben unter sklavenähnlichen Bedingungen. Kofler berichtete von einem Besuch in einer "halbwegs anständigen" indischen Textilfabrik: In einer Halle produzierten Näherinnen in zwei Reihen Sakkos für eine Luxusmarke und einen Discounter - bei identischem Verdienst von umgerechnet 83 Euro im Monat. Das liege zwar weit über dem regionalen Mindestlohn und sei zugleich die höchste Bezahlung, die eine Frau in diesem Bundesstaat bekomme, zum Überleben sei es aber viel zu wenig. "Das Existenzminium ist doppelt so hoch." Freie Gewerkschaften, die sich für bessere Löhne stark machen könnten, gebe es nicht. "Mit dem flapsigen Spruch, dann müsste ein T-Shirt doppelt so viel kosten, ist es also nicht getan."

Die Politikerin sah die Unternehmen in der Pflicht, bessere Bedingungen für ihre Arbeiter zu schaffen. Das lasse sich erreichen, wenn Konzerne künftig beweisen müssten, dass sie alles unternommen haben, was in einem bestimmten Land zur Einhaltung der Menschenrechte möglich ist. Anderenfalls müssten "empfindliche" Strafen drohen. Derzeit würde in deutschen Ministerien über den Entwurf eines "nationalen Aktionsplans" beraten, der entsprechende Standards für die Wirtschaft festlegen soll. Eine entscheidende Rolle spiele auch die Entwicklungshilfe. In vielen Ländern seien die Menschen weder sozial abgesichert noch könnten sie eine Schule besuchen oder eine Ausbildung machen. Ein Problem sei auch, dass es oft kein intaktes Steuersystem gebe. "Man schätzt, dass allein dem afrikanische Kontinent jedes Jahr bis zu 50 Milliarden US-Dollar durch Steuerflucht entgehen." Geld, das die Staaten dringend benötigten.

Koflers Antwort auf die Frage, was der einzelne Verbraucher machen kann, um menschenunwürdige Arbeit nicht zu unterstützen, war ernüchternd: in Deutschland hergestellte oder fair gehandelte Kleidung kaufen, auch wenn es noch kein einheitliches Siegel dafür gebe, und "penetrant" sein. "Fragen Sie im Geschäft nach dem Produktionsweg."

Beim Thema Integration plädierte die SPD-Abgeordnete aus Freilassing für ein Einwanderungsgesetz, das Geflüchteten die Chance auf eine Ausbildung ermöglichen soll. "30 Prozent der Menschen fliehen, weil sie nichts zu essen haben, keine Perspektiven sehen und ihnen die Lebensgrundlage entzogen wurde."

© SZ vom 21.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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