Aussage mit schwerwiegenden Folgen:Gefangen in der Gerüchteküche

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Justizvollzugsbeamtin muss sich gegen Verleumdung durch einen früheren Häftling in der JVA Erding wehren

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Gerüchte sind aus der Sicht des Betroffenen immer eine schlimme Sache. Ist eins erst Mal im Umlauf, kann man sich so oft noch dagegen wehren und sagen, dass das alles nicht stimmt, und doch bleiben bei denjenigen, die es gehört haben Restzweifel. Sogar wenn eine öffentliche Richtigstellung später erfolgt. Häufig ist zu hören: "Ein Körnchen Wahrheit wird schon dahinter stecken." Auch als Beamtin der Justizvollzugsanstalt (JVA) Erding ist man nicht vor einer Verleumdung gefeit, wie sich bei einer Verhandlung am Amtsgericht Erding zeigte. Ein früherer Häftling hatte in einem Gespräch mit einem Psychologen geäußert, dass in der JVA eine Beamtin sei, die in der Partyszene bekannt sei und Crystal Meth nehme. Mehr durch Zufall wurde diese Aussage bekannt und ging schnell durch die JVA Erding. Und die Kollegin wurde von vielen Mitarbeitern darauf angesprochen.

Rechtlich problematisch war bei dem Fall die Quelle der Aussage. Der 31-jährige Angeklagte hatte zuvor in der JVA Erding gesessen und war dann nach Landshut verlegt worden. Damit seine Tochter ihn einfacher besuchen kann, wollte er wieder zurück. Um sein Leid und seine Gründe für eine Rückverlegung zu schildern, suchte er den dortigen Psychologen in dessen Sprechstunde im Gefängnis auf. Dem berichtete er fast nebenbei, dass er in Erding eine Justizvollzugsbeamtin kenne, von der es im Häftlingskreis heiße, dass sie gerne auf Partys gehe und Cristal Meth konsumiere. Das habe er auch dem Leiter der JVA Erding schon berichtet, sagte der Angeklagte vor Gericht. Seine Beweggründe seien aber lauter gewesen. Er habe sich Sorgen gemacht und die Beamtin schützen wollen, weil er wisse, was diese Drogen für fürchterliche Auswirkungen habe. Er habe erst vier Monaten vorher einen guten Freund an Cristal Meth verloren.

Der Psychologe, der trotz Hinweise von Richter Andreas Wassermann auf sein Zeugnisverweigerungsrecht aussagte, sagte, dass er die Aussage des Angeklagten als eine Art Druckmittel des 31-Jährigen gedeutet habe, nach dem Motto: bei einem Nein zu meinen Wünschen packe ich aus. Jedenfalls sei er verpflichtet gewesen, Kollegen zu schützen, wenn solche Gerüchte angesprochen werden, und deshalb habe er die Äußerung in die Akte des Mannes geschrieben - allerdings ohne Namen, den habe der Angeklagte nicht genannt.

Die Akte landete im Posteingang der JVA Erding, wie die Justizbeamtin vor Gericht sagte. Und dort habe jeder Einsicht. Die Passage sei sogar gelb markiert worden und weil dort auch der Satz des früheren Erdinger Häftlings "Man sieht sich immer zweimal" stand, den der 31-Jährige ihr gegenüber früher geäußert habe, habe sie und jeder, der das mitbekommen habe, gewusst, wer gemeint sei. Das Gerücht, dass sie Drogen konsumiere, sei schnell herum gegangen und bis heute werde sie ab und an gefragt, was jetzt aus der Verleumdungsklage gegen den Häftling geworden sei. Sie selber sei von dem Vorwurf völlig entsetzt gewesen und habe sofort angeboten, einen Drogentest mittels Haar- oder Urinproben machen zu lassen, der aber bis heute von niemandem verlangt worden sei. Sie sei aber, um zu beweisen, dass sie nie Drogen genommen habe, weiter bereit, sich testen zu lassen. Der Job in einer JVA sei nicht leicht, deshalb habe sie die Verleumdung schon sehr getroffen.

Der Verteidiger des Angeklagten verwies darauf, dass seiner Meinung nach überhaupt nichts aus dem Gespräch in die Öffentlichkeit gelangen hätte dürfen, da sein Mandant mit dem Psychologen unter der Prämisse geredet habe, dass der an seine ärztliche Schweigepflicht gebunden sei. Und damit seien alle Aussagen unzulässig.

Dieses rechtliche Problem sah auch Richter Andreas Wassermann und bat deshalb die Staatsanwältin und den Verteidiger zum Rechtsgespräch mit dem Ergebnis, dass das Verfahren gegen den 31-Jährigen gegen die Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von 500 Euro zu Gunsten von "Keine Macht den Drogen" eingestellt wird. Zuvor hatte der Angeklagte noch klar gestellt, dass er "keine positive Kenntnis" habe, dass die Justizvollzugsangestellte Drogen nimmt. Er habe "nur Gerüchte von Mithäftlingen weiter gegeben".

© SZ vom 15.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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