Ausgezeichnet:Staatspreis für ein "kerniges Dorf"

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Der Ort Grucking mit rund 250 Einwohnern in der Gemeinde Fraunberg hat in den vergangenen Jahren ein kleines Zentrum bekommen. (Foto: Renate Schmidt)

Fraunberg wird für die Innenentwicklung seiner Ortsteile ausgezeichnet. Die Gemeinde bemüht sich seit 2003 dem Siedlungsdruck durch den Erhalt gewachsener Strukturen entgegenzuwirken. Die Bürger sind stets eng eingebunden

Von Gerhard Wilhelm, Fraunberg

Einen Preis für die dörfliche Entwicklung zu bekommen, ist für Fraunberg nichts Neues. Schon mehrfach gab es Auszeichnungen, jetzt ist es wieder so weit. Dieser Preis ist allerdings doch etwas Besonderes: Am Donnerstag, 27. Oktober, nimmt Bürgermeister Hans Wiesmaier für "umfassende Leistungen zur Stärkung des ländlichen Raums" in der Münchner Residenz einen Staatspreis entgegen, der mit 8000 Euro dotiert ist. Im Speziellen wird die Gemeinde für die Innenentwicklung der Ortsteile ausgezeichnet. "Sie sollen zu Treffpunkten für die Bürger werden", sagt Wiesmaier: "Bei uns gilt der Vorrang innerörtlicher Entwicklung, ehe wir uns nach außen entwickeln."

Speziell der Beschluss, Fraunberg zum Zentrum der Gemeinde auszubauen und in Grucking und Reichenkirchen Ortsmittelpunkte zu schaffen, hat die Jury genau unter die Lupe genommen. In direkter Nachbarschaft zu den historischen Gebäuden Kirche und Schloss gelegen soll das Fraunberger Gemeindezentrum, das Ende November seinen Betrieb aufnimmt, drei Funktionen vereinen: Bank, Rathaus und Bürgerbereich. Ein überdachter Vorplatz wird zum Versammlungs- und Veranstaltungsort.

Fraunberg unterliegt als unmittelbarer Nachbar des Flughafens München "einem enormen Veränderungs- und Anpassungsdruck, der alle Lebensbereiche umfasst", das hat die Gemeinde schon früh erkannt. 2003 beschloss der Gemeinderat, der Entwicklung nicht freien Lauf zu lassen, sondern aktiv einen Weg einzuschlagen, bei dem "die Nachhaltigkeit und der schonende Umgang mit Grund und Boden an erster Stelle stehen". Die Rücknahme von Ausweisungen von Gewerbe- und Wohngebieten sollen helfen, die traditionelle Ortsstruktur mit Weilern und Ortsteilen erhalten. "Wir wollen Kleinbetriebe und mittelständische Unternehmen im Ort halten, indem wir Bestände und Leerstände überprüfen, ob sie geeignet sind, ehe wir weitere Gewerbeflächen ausweisen", sagt Wiesmaier. Ziel sei ein "kerniges Dorf" zu erhalten.

Die Gemeinde ist stark landwirtschaftlich geprägt. Auf 42 Quadratkilometer gibt es genauso viele Ortsteile mit etwa 3700 Einwohnern. Das legte eine Gemeindeentwicklung mit den Schwerpunkten "Sicherung der Kulturlandschaft und Leben und Arbeiten" im gesamten Gemeindegebiet nahe. "Wir haben sogar einen externen Soziologen, der uns immer wieder Einblicke in die Zusammenhänge gibt", sagt Wiesmaier. Die Zusammenarbeit zwischen Gemeindeentwicklungsverein, Teilnehmergemeinschaft, Gemeinde, Kirche, Planern und Amt für Ländliche Entwicklung, das nicht nur fachlicher Begleiter sei, sondern auch finanzielle Unterstützung liefere, habe das vergangene Jahr ausgezeichnet.

Vor allem eine aktive Mitarbeit der Bürger sei wichtig. "Ich habe am Donnerstag die Ehre, das Schlusswort zu sprechen", sagt Wiesmaier. "Dabei werde ich klar zum Ausdruck bringen, dass ich unter Bürgerbeteiligung nicht nur Bürgerentscheide verstehe. Die Bürger sollen aktiv mitarbeiten und Verantwortung übernehmen." Und das geschieht in Fraunberg auf vielen Wegen. Der Verein "Gemeindeentwicklung Fraunberg" wurde gegründet und fungiert als eine Art Dachorganisation, die allen Bürgern fachliche und finanzielle Hilfe anbietet. Arbeitskreise wurden aus den örtlichen Vereinen gebildet, es gibt die Zukunftswerkstatt Fraunberg, und seit Sommer 2013 trifft sich die Projektgruppe Ortschronik regelmäßig, um Fraunbergs Geschichte zu dokumentieren.

Die Bürgerkommune bietet die Möglichkeit, sich in die Gemeindeentwicklung einzubringen und Verantwortung zu übernehmen bis zur Umsetzung von Projekten. Alljährlich trifft man sich, damit die Mitglieder Gedanken und Erfahrungen austauschen können und um Experten zu hören. Daraus ging unter anderem ein Künstlerstammtisch hervor, der sich jeden ersten Freitag im Monat trifft. Auch die Nachbarschafthilfe Fraunberg unterstützt zum Beispiel im Haushalt, bei der Kinderbetreuung, mit Besuchsdiensten, im Garten, bei kleinen Reparaturen, mit Fahrtdiensten, bei der Versorgung von Haustieren und bei Behördenangelegenheiten.

© SZ vom 26.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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