Arsenal im Kinderzimmer:Anlass zur Sorge

Lesezeit: 2 min

Bei einer Hausdurchsuchung findet die Polizei bei einem jungen Mann Waffen, Munition, Explosivstoffe und Hinweise auf einen möglicherweise geplanten Amoklauf. Das Amtsgericht ordnet die Fortsetzung der Therapie an

Von Thomas Daller, Erding

Für die Polizei passte der junge Mann aus dem Landkreis in ein beängstigendes Muster: Er hortete Zuhause Waffen und Munition, verfügte über explosionsgefährdende Stoffe und in seinem Zimmer fand man neben indizierten Horrorfilmen und Ego-Shooter-Spielen auch noch einen Abschiedsbrief, in dem er nicht nur seinen Suizid ankündigte, sondern nach SZ-Informationen auch, dass er dabei noch andere Menschen "mitnehmen" werde. Die Polizei hat alles beschlagnahmt, was bei einem Amoklauf hätte verwendet werden können. Am Amtsgericht Erding musste er sich gestern verantworten, weil er gegen das Sprengstoffgesetz verstoßen hatte. Er wurde zwar schuldig gesprochen, aber nicht zu einer Strafe verurteilt. Stattdessen erhielt er die Weisung, seine bereits begonnene Psychotherapie fortzusetzen.

Der junge Mann war bis dato ein unbeschriebenes Blatt. Er hatte einen kleinen Waffenschein und besaß legal zehn Schreckschusswaffen und knapp Tausend Schuss Schreckschussmunition. Auf seine Spur kam die Polizei über das Landeskriminalamt Berlin. Die Berliner Polizei hatte einen Verkäufer ermittelt, der übers Internet mehr als eine Tonne illegaler Feuerwerkskörper aus russischen Beständen verkauft hatte. Auch der junge Mann aus dem Landkreis gehörte zu den Kunden. Er hatte 75 Stück Pyrotechnik erworben, die als illegale Munition eingestuft ist und 64 Stück, die als explosionsgefährdender Stoff definiert ist, für die man eine sprengstofftechnische Erlaubnis benötigt.

Im Dezember vergangenen Jahres durchsuchte die Polizei sein Zimmer im Haus der Eltern. Die gekaufte Ware war noch vollzählig vorhanden. Das darin enthaltene Schwarzpulver hätte nach Einschätzung der Polizei zusammengemischt ausgereicht, um eine ganze Etage wegzusprengen. Stutzig machte die Beamten auch das Schreckschuss-Waffenarsenal und die knapp 1000 Schuss Munition. Im Lauf der weiteren Ermittlungen stellte sich heraus, dass der junge Mann ein Jahr davor eine aufgebohrte Schreckschusswaffe übers Internet verkauft hatte. Der ermittelnde Polizeibeamte bescheinigte dem Angeklagten zudem eine "fundierte Sachkenntnis, was Waffen- und Schreckschusstechnik angeht". Außerdem fanden sie eine so große Anzahl der grausamsten und daher indizierten Horrorfilme und Egoshooter, dass der Polizist als Zeuge aussagte, der Angeklagte habe "das gesamte Who is who" dieser Genres besessen. Ferner fanden sie bei ihm auch noch Antidepressiva und besagten Abschiedsbrief, der allerdings bereits aus dem Jahr 2011 datiert war. Dennoch schien sich der Angeklagte auch später noch mit solchen Gedanken beschäftigt zu haben. Auf seinem Laptop fanden die Polizisten Suchverläufe zu den Themen "Bomb" und "Suizide by Cop".

Das waren genügend alarmierende Anzeichen für die Polizei, dem Landratsamt darüber Meldung zu machen. Daraufhin war dem Angeklagten auch der kleine Waffenschein entzogen worden und er durfte den Führerschein nicht machen. Untermauert wurde dieses Vorgehen dadurch, dass der Angeklagte in einer Vernehmung gesagt hatte, er halte sich nicht für geistig gesund.

Wie der junge Mann so aus der Bahn geworfen wurde, ließ sich nicht weiter nachvollziehen, weil die Öffentlichkeit ausgeschlossen wurde, als Landgerichtsarzt Dr. Näger das psychiatrische Gutachten vortrug. Der Angeklagte selbst bestritt zumindest einen Zusammenhang zwischen dem Kauf der Pyrotechnik und seinen Gewaltfantasien. Die Russenböller habe er für eine Silvesterfeier 2015 gekauft, die dann aber nicht stattgefunden habe. Es sei ihm aber bewusst gewesen, dass der Erwerb illegal gewesen sei.

Das Geständnis sowie der Umstand, dass sich der Angeklagte derzeit in einer stationären Therapie befindet, bewog die Staatsanwaltschaft, keine Strafe zu fordern. Der junge Mann befinde sich in einer schwierigen Lebensphase, er solle lediglich seine psychotherapeutsche Behandlung nicht abbrechen.

Richter Lefkaditis schloss sich in seinem Urteil dieser Auffassung an. Der Angeklagte sei zwar schuldig, aber er erhalte lediglich die Weisung, die Therapie fortzusetzen und danach zur ambulanten Nachsorge zu gehen. In der Urteilsbegründung wies er darauf hin, dass das Jugendstrafrecht keine primär sanktionierende Funktion habe, sondern dazu diene, dem Angeklagten zu helfen, der auch aus eigenem Antrieb die Maßnahme fortsetzen wolle.

© SZ vom 15.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: