Architektouren im Landkreis:Ein "Häuserhaus" für Altenerding

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Am Ludwig-Simmet-Anger haben die Architekten Hirner und Riehl ein zeitgemäßes Kinderhaus gebaut

Von Mathias Weber

Kinder, Kinder, Kinder: Erding ist ein junger Landkreis, und dementsprechend besteht hier Bedarf nach Einrichtungen für die Jugend; Schulen werden saniert, Horte eingerichtet, Tagesstätten errichtet. Anfang 2014 hat der Erdinger Stadtrat daher auch ein neues Kinderhaus am Ludwig-Simmet-Anger, neben der bestehenden Grundschule, auf den Weg gebracht, und sich finanziell nicht lumpen lassen: 6,4 Millionen Euro waren von Anfang an eingeplant, später kamen dann noch einmal 290 000 Euro für die Außenanlagen oben drauf. "Hoch anrechnen", sagt Architekt Martin Riehl vom Büro Hirner und Riehl in München, müsse man der Stadt, wie sie in die Ausbildung der Kinder investiert. Und mal wieder in eine gelungene Architektur, die mit einigen Besonderheiten Akzente setzt: Das Kinderhaus, das mittlerweile den Betrieb voll aufgenommen hat, ist am kommenden Sonntag, 26. Juni, im Beisein der Architekten zu besichtigen. Ein "Häuserhaus" nennt Architekt Riehl das Gebäude. Es besteht nicht aus einer einzigen Kubatur, wie zum Beispiel die Benachbarte Grundschule; das Hauptgebäude setzt sich aus drei einzelnen Gebäuden mit Satteldach zusammen, um das Kinderhaus herum stehen zudem einige Scheunen - kleine Versionen des Haupthauses. Noch steht das Kinderhaus allerdings etwas verloren auf weiter Flur, auf einem zukünftigen Baugebiet, zwischen der Bundesstraße 388 und der Haager Straße. Hier sollen einmal Hunderte neue Wohnungen entstehen, und der Vorgabe der Stadt zufolge sollte dort erst die Versorgung entstehen, dann die Struktur außen herum. Hirner und Riehl hatten einen von der Stadt ausgelobten Wettbewerb gewonnen, mit einem recht speziellen Konzept: Das Haus mit den drei Baukörpern wurde in Massivholzbauweise gebaut. Es ist zweistöckig und nimmt Kindergarten-, Krippen- und Hortkinder auf. Jede dieser Gruppen, betont Architekt Martin Riehl, hat gleich viel Platz zur Verfügung, Riehl nennt die einzelnen Bereiche "Cluster": Normalerweise würde nämlich der Platz für die Gruppen um mehrere Quadratmeter variieren, Riehl aber hat vorgeschlagen, jeder Gruppe gleich viel Platz einzuräumen; das müsse zwar einerseits bezahlt werden, andererseits, so Riehl, sei das Haus so auch auf den Wandel in der Gesellschaft vorbereitet: In einem Jahr kann die eine Gruppe einen Raum nutzen, zehn Jahre später eine ganz andere Gruppe.

Zur Bundesstraße hin gibt es kaum große Öffnungen, zur Altenerdinger Seite hin befindet sich der Garten. (Foto: Hirner&Riehl Architekten/OH)

Wegen des Lärms von der Bundesstraße her sind die Gruppenräume nach Westen hin angeordnet, große Fenster öffnen das Haus zum Garten hin. Im Verbindungsbau zwischen den beiden großen Baukörpern finden sich Büros, aber auch eine spezielle Frischeküche, in der die Kinder kochen können. Ganz zeitgemäß ist das Haus auch in Sachen Energieverwertung: Weil es mit Fernwärme versorgt wird, mit Zellulose gedämmt ist und auf dem Dach eine Fotovoltaikanlage hat, ist das Kinderhaus ein Plusenergiehaus, erzeugt also ein wenig eigene Energie.

Die Sparren am Dach des Kinderhauses folgen einem starren Muster, wie der Blick in das Foyer zeigt. (Foto: Julia Schambeck/OH)

Nicht nur mit inneren Werten, auch in der Gestaltung überzeugt das Haus. Vor allem fällt eines auf, das gar nicht mehr so üblich sei bei Neubauten in der Region um München, wie Architekt Riehl sagt: Ein Satteldach - wenn auch nur ein angedeutetes, kein steiles. Wie die Dächer der umliegenden Wohnhäuser aussehen werden, das ist noch nicht bestimmt; aber blickt man auf die anderen Neubaugebiete in Erding, könnte auch in Altenerding eine flache Dachlandschaft entstehen - und das Kinderhaus herausstechen. Das tut das Haus auch mit seiner Fassade: Sie besteht aus Weißtanne und ist schon so lasiert, dass das Holz sehr gleichmäßig und angenehm verwittern soll, wie Martin Riehl sagt. Einen roten Farbtupfer an der Fassade gibt zur Bundesstraße hin, zur anderen Seite wird es erst bunt, wenn die Sonne strahlt. Dann werden die knallorangen Vorhänge in die Fenster gezogen - eine Reminiszenz an die wenige Meter entfernte Grundschule, an dessen Fassade diese Farbe auch auftaucht. Martin Riehl wird bald nach Altenerding zurückkehren: Auf Einladung der Hausleitung wird er mit den Kindern über Architektur sprechen und das Haus erkunden. Wie es zum Beispiel in Skandinavien Usus ist, will er mit der Architektur einen Bildungsauftrag verwirklichen. Oder, wie es Riehl ausdrückt: Sein Haus soll ein zweiter Erzieher sein.

Im Rahmen der Architektouren kann das Kinderhaus am Sonntag, 26. Juni, um 11 Uhr in Beisein des Architekten besichtigt werden.

© SZ vom 23.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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