Archäologischer Fund:Fast ein Ötzi

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Die Spangen ragen am Fundort aus der Erde. (Foto: Harald Krause)

Wissenschaftler vom Landesdenkmalpflegeamt und der LMU präsentieren dem Erdinger Stadtrat einen Zwischenbericht zum Spangenbarrenhort. Es zeigt sich: Der archäologische Fund übertrifft alle Erwartungen

Von Mathias Weber, Erding

Harald Krause ist sich sicher: Die Spangenbarren werden "ein Glanzstück" sein für das Museum Erding, das er leitet. Bis der Fund aus der Bronzezeit aber im Museum in der Prielmayerstraße ausgestellt und der Öffentlichkeit präsentiert werden kann, wird noch ein wenig Zeit vergehen. Erst einmal sind die Wissenschaftler am Zug: Vor einem Jahr hat der Erdinger Stadtrat beschlossen, Mittel bereit zu stellen, um die Spangenbarren untersuchen zu lassen. Zuvor hat die Stadt den Fund von Privatleuten angekauft, die die Spangenbarren beim Bau eines Hauses in Oberding entdeckten. Um die Analyse kümmern sich nun das Museum Erding, Archäologen der LMU in München und Restauratoren des bayerischen Landesamt für Denkmalschutz; und zwar in einer "wohltuenden Zusammenarbeit", wie Erdings Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) am Mittwoch bei der Standratssitzung sagte.

Die Wissenschaftler stellten den Stadträten einen Zwischenbericht zu den Untersuchungen am Barrenhort vor. Auf universitärer Seite wird die wissenschaftliche Auswertung des Fundes vom Institut für vor- und frühzeitliche Archäologie der LMU übernommen. Die Archäologin Sabrina Kutscher schreibt ihre Masterarbeit über den Fund und hat den Stadträten in einem kurzen Referat erst einmal erklärt, was ein Spangenbarrenhort überhaupt ist: Vor knapp 4000 Jahren haben die Menschen im Alpenraum angefangen, Kupfer zu verarbeiten. Um sie besser transportieren zu können, wurde sie nach dem Schmelzen in Spangen geformt, ähnlich einer Haarspange - im Erdinger Fall auch breiter. Diese Spangen wurden zusammengelegt und verknotet - das sind die Spangenbarren. Kutscher stellt sich nun die Frage, warum diese Barren genau dort geendet sind, wo sie gefunden wurden: in einer Grube bei Oberding. Jemand muss diese damals wertvollen Spangen dort hinterlegt haben; war es eine Gabe an die Götter? Oder ein "profanes Handwerkerversteck", wie Kutscher sagte.

Genaue Analysen sollen weiterhelfen. Alles, was in der Grube bei Oberding gefunden wurde, wird untersucht: die Überreste der Schnur zum Beispiel, mit dem die Barren zusammengebunden waren. Oder die Gegenstände in der Müllgrube, die sich neben dem Barrenhort befand; dort fand man Keramikscherben und Tierknochen, die jetzt analysiert werden.

Der Hauptaugenmerk liegt aber natürlich auf den Kupferspangen. Wie sich mittlerweile herausstelle, sind es nicht nur um die 200 Spangen, die in dem Hort hinterlegt waren und wie zuerst vermutet wurde. Man hat herausgefunden, dass es sich sogar um stolze 809 Kupferbarren handelt. Ein Rekord: Beim bisher größten Fund von Spangenbarren im Münchner Luitpoldpark in den 1920er-Jahren fand man nur gut 500 Spangen.

Der Aufwand, den derzeit der Restaurator Jörg Stolz vom Landesamt für Denkmalschutz betreibt, ist immens. So wurden die beiden Erdblöcke, in denen sich die Barren verstecken, vom größten deutschen Computertomografen gescannt - ein Vorgang, der so noch nie versucht wurde. Die Ergebnisse sind beeindruckend: Stolz konnte den Stadträten ein perfektes 3D-Bild der Barren vorführen. Durch die Computertomografie hatte sich auch herausgestellt, dass sich mehr als 800 Spangen in den Blöcken verstecken. Stolz legt jetzt nach und nach die Spangen frei.

Während Kutscher und Stolz eher nüchtern ihre Erkenntnisse vortrugen, war es an Landeskonservator Sebastian Sommer, einige persönliche Worte zu verlieren. Er hält den Spangenbarren für einen "Schatz", der viele Fragen offen lässt, die jetzt nach und nach beantwortet werden sollen. In der Tiefe der Informationen, die dieser Fund über die Umstände von vor 4000 Jahren geben könne, sagte Sommer, erinnere der Spangenbarrenhort an den Ötzi, dessen Analyse auch viele Fragen beantwortet hätte. "Nur hier fehlt halt der Mensch", sagte er. In den kommenden Monaten werden weitere Analysen durchgeführt, die Spangen werden zum Beispiel metallurgisch untersucht. Zum archäologischen Sommersymposium 2017 in Erding sollen die Spangen dann ausgestellt werden. Bis dahin muss allerdings noch Finanzielles geklärt werden: Museumsleiter Harald Krause sagte, im Juni oder im Juli sei das Budget aufgebraucht. Dann müsse man eine Lösung finden. In Anbetracht der Qualität des Fundstücks dürfte es dem Stadtrat allerdings nicht schwer fallen, das Projekt weiter zu finanzieren.

© SZ vom 26.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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