Arbeit und Einkommen:Zahl der Geringverdiener steigt

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Im Landkreis gibt es immer mehr Jobs, aber auch immer mehr Menschen, deren Lohn sich im "unteren Entgeltbereich" bewegt. Der Anteil der Beschäftigten in Handel und Verkehr wird größer

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Die Bevölkerungs- und Arbeitsplatzverteilung in der Region München verschiebt sich immer stärker nach Nordost, vor allem in Richtung einer Flughafenachse, wie der Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum München (PV) in seiner jüngsten Datenerhebung aufzeigt. Zu den Kommunen an der Flughafenachse gehören Moosinning und Oberding im Landkreis Erding. 2006 lebten dort 6,6 Prozent der gesamten Regionsbevölkerung, es gab 10,8 Prozent aller Arbeitsplätze. Zehn Jahre später ist der Bevölkerungsanteil zwar gleich, der Anteil der Arbeitsplätze hat sich dagegen auf 11,3 Prozent gesteigert.

Dem Überschuss an Arbeitsplätzen ist es zu verdanken, dass im Vergleich der Landkreise in der Region München der Landkreis Erding die niedrigste Arbeitlosenquote hat, wie der Planungsverband schreibt. Doch viele Jobs und eine niedrige Arbeitslosenzahl müssen nicht identisch mit einem hohen verfügbaren Einkommen sein, denn immer mehr Menschen arbeiten in Teilzeit- und Minijobs. Nach Zahlen der Agentur für Arbeit waren 2007 in Erding 10 642 Personen "geringfügig entlohnt", nach zehn Jahren waren es 14 586. 2007 lag die Grenze, ab der man zum Niedriglohnbereich zählte, bei brutto 1818 Euro, zehn Jahre später bei 2226 Euro - in Westdeutschland. Der Anteil derjenigen, die im "unteren Entgeltbereich" liegen, hat sich in der Zeit von 21,8 auf 24,8 Prozent erhöht. Heute hat also jeder Vierte einen Job mit geringem Einkommen.

Betroffen sind vor allem Menschen, die in der Gastronomie, bei Paketdiensten, in der Logistik, Gebäudereinigung oder im Baugewerbe arbeiten. Ein Grund dafür ist unter anderem die Deregulierung des Arbeitsmarktes in den 1980er-Jahren. Sie machte Minijobs (maximal 450 Euro im Monat), Leiharbeit, Werk- und Zeitverträge erst möglich. Laut dem "Atlas für Arbeit" des Statistischen Bundesamtes von 2017 arbeiten mittlerweile 7,4 Millionen Menschen in Minijobs, für 4,7 Millionen ist es sogar die einzige Einnahmequelle. Auch die Zahl der Zeitverträge ist stark gestiegen. Mittlerweile erhalten 44 Prozent aller neu Eingestellten nur noch befristete Verträge. In Deutschland ist inzwischen der Niedriglohnbereich größer als in allen andern Ländern in Westeuropa.

Dazu passt, dass laut dem Planungsverband im Landkreis Erding der Wirtschaftsbereich Handel und Verkehr einen immer größer werdenden Anteil bei den Jobs einnimmt. Von 2006 bis 2016 stieg die Quote von etwa 29 auf 34 Prozent am gesamten Arbeitsmarkt. Ein Anstieg ist zwar auch in Dachau, Ebersberg und Freising zu sehen, aber den größten Sprung machte Erding, wohingegen in Freising die Quote 2011 den höchsten Wert hatte und 2016 wieder auf dem Wert von 2006 lag.

Die Zahl der Jobs im Bereich Dienstleistungen ist in allen Landkreisen im Vergleich zu 2006 gestiegen, nur in Erding sind weniger Sozialversicherungspflichtige in diesem Bereich beschäftigt: etwa 32 Prozent. Das ist der niedrigste Wert in der Region mit etwa fünf Prozent Abstand zum Landkreis Ebersberg. Nur im produzierenden Gewerbe ist der Landkreis Erding auf einer Linie mit den anderen Landkreisen. Doch dieser Wert sinkt seit 2006. Lediglich in der Stadt München und in Freising sind weniger Menschen im produzierenden Gewerbe beschäftigt.

Einsamer Spitzenreiter ist der Landkreis Erding bei der Entwicklung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Die Wachstumsrate stieg von 2006 bis 2016 um fast 65 Prozent. Der zweitbeste Landkreis im Bereich des Planungsverbands, Dachau, kommt auf 40 Prozent. Schlusslicht ist Freising mit etwa 13 Prozent.

Betrachtet man die absolute Zahlen, lag Erding 2016 mit 43 137 Beschäftigten hinter Freising (78 230), Fürstenfeldbruck (48 349) und Starnberg (47 886), aber vor Dachau (39 528) und Ebersberg (38 952). Zu berücksichtigen ist dabei aber, dass bis zum 31. Dezember 2008 die Beschäftigten am Flughafen München ausschließlich der Stadt Freising zugerechnet wurden, danach Freising, Hallbergmoos und auch der Gemeinde Oberding.

© SZ vom 21.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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