Angespannte Lage:Weckruf für den sozialen Wohnungsbau

Lesezeit: 3 min

Flüchtlinge mit Bleiberecht werden die Situation auf dem Wohnungsmarkt weiter zuspitzen. Der Landkreis ist auf die Herausforderung relativ gut vorbereitet - und auch den Gemeinden wird klar, dass sie handeln müssen

Von Thomas Daller, Landkreis

Der Landkreis Erding benötigt dringend zusätzliche Sozialwohnungen. Insbesondere Alleinerziehende und viele ältere Menschen können sich die marktüblichen Mieten nicht mehr leisten. 2016 werden zudem viele Asylbewerber ihre Anerkennung und somit einen Aufenthaltstitel erhalten. Dann werden auch die Flüchtlinge mit Bleiberecht auf den Wohnungsmarkt drängen. Das Problembewusstsein dafür wächst in den Gemeinden, allmählich kommt wieder etwas Bewegung in den sozialen Wohnungsbau.

Der Mieterverein Erding beklagt seit Jahren, dass das Angebot an Sozialwohnung weit geringer ist als die Nachfrage. Manche Senioren geben sogar notgedrungen ihre sozialen Bindungen auf und ziehen in den Bayerischen Wald, weil sie sich die Mieten in Erding nicht mehr leisten können. Künftig wird auch noch ein Teil der derzeit 1300 Asylbewerber anerkannt werden und dann in den Asylbewerberunterkünften den Status als "Fehlbeleger" erhalten. Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) hat zwar bereits angekündigt, man werde Fehlbeleger nicht auf die Straße setzen; aber sie werden auch aus eigenem Antrieb aus den beengten Verhältnissen in den Unterkünften herauswollen. Dadurch wird sich der Konkurrenzkampf um bezahlbaren Wohnraum zwischen bedürftigen Familien, Alleinerziehenden, Rentnern, Obdachlosen und anerkannten Asylbewerbern verschärfen. Somit droht allgemein "sozialer Sprengstoff", befürchtet der Präsident des bayerischen Städtetags, Ulrich Maly. Eine bezahlbare Wohnung sei die Basis für die Integration in die Stadtgesellschaft. Der Städtetag geht davon aus, dass etwa 40 Prozent der Flüchtlinge erfahrungsgemäß bleiben und legt dabei eine durchschnittliche Familiengröße von drei Personen zugrunde. Allein in Bayern müssten nach jüngsten Schätzungen mehr als 15 000 Wohnungen gebaut werden, um dem Bedarf gerecht zu werden. Wenn man diesen Schlüssel auf den Landkreis Erding umlegt, müsste man schon jetzt 170 Sozialwohnungen allein für diese Flüchtlinge bauen, die bleiben werden. Ferner warten ohnehin noch 46 Wohnungssuchende beim Landratsamt und 155 bei der Stadt Erding auf die Zuweisung einer bezahlbaren Wohnung.

Der Landkreis Erding ist auf solche Herausforderungen noch relativ gut eingestellt, aber wohl nicht kurzfristig und in diesem Umfang. Er verfügt über eine Wohnungsbau- und Grundstücksgesellschaft, der 17 der 26 Landkreiskommunen angehören. Diese Gesellschaft verfährt nach folgendem Prinzip: Wenn eine Gemeinde ein Grundstück kostenlos zur Verfügung stellt, errichtet die Wohnungsbaugesellschaft dort Sozialwohnungen und räumt der jeweiligen Gemeinde ein Belegungsrecht ein. Die Mieten in diesen Wohnungen liegen knapp 20 Prozent unter dem ortsüblichen Preis. So weit, so gut. Allerdings tun sich die Gemeinden schwer, Grundstücke zu finden. Bauland ist im Landkreis zum Spekulationsobjekt geworden - mit enormen Renditen. 2007 hat die Wohnungsbaugesellschaft des Landkreises zuletzt Sozialwohnungen errichtet; dabei handelte es sich um jene in der Karlsbader Straße in Erding. Trotz aller Appelle von Landrat Bayerstorfer sind seither keine neuen Grundstücke zur Verfügung gestellt worden. Hinzu kommt, dass jedes Jahr Wohnungen aus der Sozialbindung fallen: 1990 gab es im Landkreis noch 1800 Wohneinheiten, 2015 hingegen nur 672.

Mittlerweile wird den Gemeinden bewusst, dass sich die "Situation immer mehr zuspitzt", sagte Gemeindetagssprecher Hans Wiesmaier (CSU). "In der Konzentration haben wir das noch nie gehabt." Allerdings werde man die Herausforderung nicht lösen können, indem man in 1500-Einwohner-Gemeinden "Mords-Geschosswohnungsbau" errichte.

Die Stadt Erding ist bereits tätig: Wie Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) erläuterte, gebe es einen Aufstellungsbeschluss für ein Baugebiet am Thermenpark. Der Standort sei überzeugend, weil er über eine ÖPNV-Anbindung verfüge und in der Nähe des Ärztehauses liege. Die Stadt befinde sich in Gesprächen mit der Wohnungsbaugesellschaft des Landkreises und mit der Baugenossenschaft. Dort könnte man knapp 50 Wohneinheiten im sozialen Wohnungsbau realisieren, schätzt Gotz: "Ähnlich wie an der Karlsbader Straße."

In der Stadt Dorfen klemmt man sich ebenfalls dahinter, mehr Sozialwohnungen zur Verfügung zu stellen. Dabei kooperiert sie mit der Nikolaistiftung, die laut Stiftungszweck seit Jahrhunderten bedürftige Dorfener unterstützt. Einst in Form von Brennholz für den Winter, nun mit bezahlbaren Wohnungen. Zwölf Wohnungen am Breslauer Weg hat die Stiftung bereits im vergangenen Jahr mit einem "Partner aus der Wohnungswirtschaft gebaut", sagte Bürgermeister Heinz Grundner (CSU). Das nächste Objekt soll am Stiftlring entstehen; auf einem Grundstück, das die Nikolaistiftung von der Stadt Dorfen erworben hat. Noch in diesem Jahr soll dort der Abriss eines bestehenden Gebäudes erfolgen und man will mit der Planung des Neubaus vorankommen. Aber solche Projekte sind in Dorfen nicht an der Tagesordnung: "Die Grundstücksverfügbarkeit ist auch bei uns das Problem", sagte Grundner.

In Taufkirchen sei man derzeit "in Grundstücksverhandlungen", sagte Bürgermeister Franz Hofstetter (CSU). "Es schaut nicht schlecht aus." Es handele sich um ein größeres Grundstück, dass man der Wohnungsbaugesellschaft des Landkreises anbieten wolle, wenn man sich mit dem Eigentümer geeinigt habe. Ferner gibt es auch in der Gemeinde Oberding derzeit Bestrebungen, der Wohnungsbaugesellschaft des Landkreises ein Grundstück anzubieten.

Es tut sich wieder etwas im sozialen Wohnungsbau des Landkreises, auch wenn es noch nicht ausreicht und den Betroffenen wohl zu lange dauern wird. Aber die Kommunen müssen nun reagieren, andernfalls droht Bedürftigen die Obdachlosigkeit. Zuständig für Obdachlose und somit für den Bau von Obdachlosenunterkünften sind wiederum - die Kommunen.

© SZ vom 03.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: