Amtsgericht:Qualvolle Methode

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Amtsgericht Erding: Rentner wegen Fischwilderei verurteilt

Schwarzfischen war früher bei bayerischen Buam so etwas wie eine Mutprobe. Wenn man erwischt wurde, gab's eine Schellen. Wenn man das als Erwachsener heutzutage macht, landet man wegen Fischwilderei vor Gericht. Allerdings spielt es auch eine maßgebliche Rolle, wie einer beim Wildern vorgegangen ist. Das Amtsgericht Erding hat in so einem Fall einen 70-jährigen Rentner nun zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt.

Der Angeklagte ist deutsch-russischer Herkunft und lebt seit der Jahrtausendwende in Deutschland. Er bekommt 24 Euro Rente und 350 Euro Sozialhilfe. Daher bewirtschaftet er einen kleinen Schrebergarten, der am Ufer der Sempt liegt. Aus dem Fluss holte er sich Wasser zum Gießen und offenbar wollte er auch seinen Speiseplan mit ein paar Fischen ergänzen. So berichtete es ein Nachbar, der in der Sempt legal fischen darf und der von Passanten darauf aufmerksam gemacht wurde, "dass dort einer schwarzfischt". Der Nachbar behielt den Rentner im Auge und sah auch, wie der am Ufer eine Schnur ins Wasser warf. Daraufhin informierte er den Fischereiaufseher.

Der Aufseher patrouillierte nach eigenen Angaben zwei bis drei Wochen mit einem Fernglas in der Nähe der Stelle, wo der Rentner beobachtet wurde. Wenn er den Rentner nicht sah, ging er zu den Angeln, holte sie raus, entfernte die auf den Haken gespießten Würmer und warf die Schnüre ohne Köder wieder ins Wasser. Als er den Angeklagten aber beim Einholen der Schnüre beobachtete, holte er die Polizei.

Der Fischereiaufseher sagte vor Gericht als Zeuge aus, dass es ihm nicht darum gehe, den Angeklagten zu bestrafen. Sondern diese Art des Fischens müsse aufhören. Der Angeklagte hatte sogenannte Legangeln verwendet. Das Fischen mit der Legangel ist in Deutschland verboten, und das aus gutem Grund. Sie bestehen nur aus Schnur und Haken und ein Ende der Schnur wird am Ufer angepflockt. Unbeaufsichtigt liegen sie stunden- oder nächtelang aus. Wenn ein Fisch den Wurm schluckt, kann es passieren, dass der Haken sich erst tief in den Verdauungsorganen verhakt. Beim Versuch, der Schnur zu entkommen, verletzen sich die Tiere immer mehr und verenden schließlich qualvoll. Der Aufseher sagte, er wolle nicht, dass die Fische leiden müssten. Er sehe es als seine Aufgabe an, ein Stück Natur aufrechtzuerhalten. Nachdem er die Polizei geholt habe, habe er keine Legangeln mehr am Ufer gesehen.

Der Angeklagte, der kein Deutsch spricht und eine Dolmetscherin benötigte, berief sich auf eine nicht näher ausgeführte Behinderung. Er könne sich oftmals an nichts erinnern und wisse daher auch nichts von einer Angel. Als ihm Richter Andreas Wassermann ein Foto der Angeln zeigte, bestritt er, dass es seine wären. Er habe noch nie Angeln gehabt. Als ihm Wassermann die Zeugenaussagen vorhielt, dass er gesehen wurde, wie er mit den Angeln hantiert habe, änderte der Angeklagte seine Aussage. Er habe am Ufer einmal eine Schnur "gewaschen" und dabei sei sie ihm "aus der Hand geglitten".

Die Staatsanwaltschaft ging anhand der Zeugenaussagen von drei Fällen der Fischwilderei aus und forderte 60 Tagessätze zu je 15 Euro. Wassermann verurteilte den Angeklagten zu 60 Tagessätzen à zwölf Euro. Die Geldstrafe kann er in monatlichen Raten von 24 Euro abstottern. Wassermann sagte, bei einem Ersttäter wie dem Angeklagten hätte man das Verfahren wohl gegen eine kleine Geldbuße eingestellt. Aber wegen der qualvollen Legangeln sei eine Verurteilung erforderlich.

© SZ vom 27.09.2019 / tdr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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