Amtsgericht:Langwierige Überzeugungsarbeit

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Im Flur des Amtsgerichts vor den Sälen haben schon viele gewartet. (Foto: Wil/oh)

23-Jährigen wegen Drogenhandel zu Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Manche Gerichtsverfahren gehen recht schnell, wenn sich der Angeklagte gleich am Anfang geständig zeigt, andere dauern länger, wenn er gar nichts sagt oder bewusst lügt, um die Suche nach der Wahrheit schwerer zu machen. Und manchmal muss ein Rechtsanwalt seinem Mandanten erst klar machen, dass Schweigen wohl wenig bringt und der Angeklagte besser fährt, wenn er sich doch geständig zeigt. Und manchmal dauert so eine Überzeugungsarbeit eine ganze Zeit: im Fall des 23-jährigen Angeklagten, der Mittwoch wegen unerlaubten Handels und Besitz von Drogen in nicht unerheblicher Menge sich am Amtsgericht Erding verantworten musste, rund 40 Minuten. Zuvor hatte der Vorsitzende Richter Björn Schindler des Schöffengerichts nach Anhörung des ihn belastenden Hauptzeugen dem Angeklagten und seinem Verteidiger nahe gelegt, "ein paar Pluspunkte" für sich zu sammeln, wenn er sich geständig zeige, "da ja doch was an ihm hängen bleibt" - sprich, dass das Gericht zur Meinung tendiere, dass er schuldig im Sinne der Anklage ist.

Die Staatsanwaltschaft hatte dem jungen Mann aus dem Landkreis vorgeworfen, dass er im September vergangenen Jahres von einer bald in München vor Gericht stehenden mutmaßlichen Dealerin 200 Gramm Marihuana für 1350 Euro gekauft habe. Mit der Absicht, die Droge gewinnbringend weiter zu verkaufen. Was er auch machte.

Und zwar an seinen damaligen Freund. Doch der erschien am 2. Oktober 2020 auf der Wache der Erdinger Polizeiinspektion und zeigte sich selber an. Warum er das tat, wurde auch nach mehrmaligen Nachfragen von Richter Schindler nicht klar. Er habe sich mehr von einer Selbstanzeige erhofft, auch wegen eines anderen Falles, sagte der 22-Jährige. Was genau und welchen Fall er meinte, blieb offen.

Ebenso offen blieb, was denn nun stimmt bei seinen Aussagen. Bei der Polizei hatte er zweimal ausgesagt: am 2. und 6. Oktober. Seine Aussagen vor dem Schöffengericht wichen aber in einigen Punkten ab. Und auf den beiden Aussagen bei der Polizei basierten die Anklagepunkte der Staatsanwaltschaft. Unter anderem hatte er bei der Polizei angegeben, dass er gesehen habe, wie der Angeklagte, den er damals noch vier bis fünf Mal in der Woche getroffen habe, in zwei Brotzeitboxen in einem Schrank in dessen Zimmer zusammen 200 Gramm Marihuana gehabt habe. Damals hatte er auch angegeben, dass er bei seinen acht Käufen von dem Angeklagten vier Mal je 30 Gramm erworben habe. Jetzt sagte er aus, dass er maximal 100 Gramm bei seinem damaligen Freund gesehen habe und maximal 20 Mal bei ihm gekauft habe. Ein bis zwei Mal dabei 20 Gramm.

Die Diskrepanz wischen den Aussagen damals und vor Gericht erklärte der 22-Jährige nach mehrmaliger Nachfrage des Amtsrichters damit, dass er "verwirrt" gewesen sei damals und die Polizei ihn unter Druck gesetzt habe. Worauf ihm Schindler darauf hin wies, dass es sich dann bei der Polizei um eine falsche Verdächtigung zuletzt gehandelt habe - und die könnte zu einer Strafanzeige führe. "Dann ist es halt so", sagte der als Zeuge aussagende 22-Jährige, der wegen des Kaufs und Besitzes der Drogen schon verurteilt wurde.

Dennoch wogen auch die aktuellen Anschuldigungen nach Ansicht von Richter Schilder genügend schwer, um eine Verurteilung des Angeklagten zu rechtfertigen. Das sah wohl auch der Verteidiger des Angeklagten so und bat um ein Verständigungsgespräch mit dem Gericht und der Staatsanwältin.

Letztendlich einigte man sich auf eine Verurteilung wegen des Kaufes von 150 Gramm und dass er davon mehr als die Hälfte verkauft habe. 150 Gram deshalb, weil er diese Menge in einem Chatverlauf auf seinem Handy jemanden angeboten hatte. Der 23-Jährige wurde zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Ausgesetzt auf drei Jahre Bewährung. Zudem muss er zwei Jahre lang regelmäßig nachweisen, dass er keine Drogen nimmt und 1200 Euro Geldauflage an den Verein Prop zahlen.

© SZ vom 30.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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