Amtsgericht  Erding:"Die waren verdammt günstig"

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Securitymitarbeiterin stiehlt über Jahre hinweg Autozubehör aus Fahrzeugen, die sie bewachen soll, und ihre Freundin verkauft die Ware bei Ebay. Weil sie so billig anbieten konnten, flogen sie auf

Von Thomas Daller, Erding

Zwei Frauen haben über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren Autozubehör im Internet verkauft. Und zwar in so großem Stil, dass der Ermittlungsdienst der Firma BMW darauf aufmerksam wurde. Es stellte sich heraus, dass es sich um gestohlene Ware handelte, die ausgerechnet eine Sicherheitsdienstmitarbeiterin von Fahrzeugen eines großen Abstellplatzes entwendete, auf die sie eigentlich aufpassen sollte. Ihre Freundin, eine gelernte Rechtsanwaltsgehilfin, verkaufte das Diebesgut dann bei Ebay. Beide wurden nun am Amtsgericht Erding zu je einen Jahr und zehn Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt.

Die Securitymitarbeiterin aus dem Landkreis Erding war in Eitting auf einem Stützpunkt der Automobillogistik beschäftigt, wo nach Angaben des Anwalts mehrere 1000 Mietwagen, darunter auch Unfallwagen, für den Weiterverkauf oder die Verschrottung abgestellt waren. Kunden waren beispielsweise die beiden großen Autovermietungen Sixt und Avis sowie die BMW-Niederlassung München. Die 34-jährige Securitymitarbeiterin nahm von der Anhängerkupplung über Windschotts für Cabriolets bis hin zu Reifenfülldrucksets alles mit, was lukrativ erschien. Die Polizei hatte zwei umfangreiche Listen dazu erstellt; einmal mit mehr als 120 und einmal mit mehr als 150 Positionen: "Die lese ich jetzt nicht vor", sagte die Staatsanwältin bei der Anklageverlesung um zehn Uhr vormittags, "sonst sitzen wir um fünf Uhr noch da". Besonders gut verkaufen ließen sich bei Ebay offenbar Pannensets der Firma BMW, die "weggingen wie warme Semmeln", wie es der ermittelnde Kriminalhauptkommissar formulierte. Nun gibt es offenbar bei BMW einen eigenen Ermittlungsdienst, der solche Dinge im Auge behält. Es folgte ein Ermittlungsersuchen an die Kriminalpolizei Erding, die bei einer Hausdurchsuchung Handys und Laptops beschlagnahmte. Die Verkäufe ließen sich zwei Jahre zurückverfolgen, länger bewahre Ebay die Daten nicht auf, und auch der Chatverlauf der beiden Frauen auf Whatsapp war für die Polizei sehr aufschlussreich. Hinzu kamen die Geldflüsse auf die Konten. Die Anklage lautete daher auf gewerbsmäßigen Diebstahl in besonders schweren Fällen sowie auf Betrug in besonders schweren Fällen.

Bei einem Rechtsgespräch handelten die Verteidiger der beiden Angeklagten mit dem Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Björn Schindler und der Staatsanwaltschaft aus, dass ihre Mandanten bei einem vollumfänglichen Geständnis mit einer Bewährungsstrafe davonkommen könnten. Daraufhin gaben die Angeklagten die Vorwürfe zu.

Die ehemalige Rechtsanwaltsgehilfin aus dem Landkreis Freising machte jedoch geltend, dass der Schaden nicht 37 400 Euro betrage, wie von der Staatsanwaltschaft am Beispiel von zehn Fällen berechnet. Das seien Herstellerpreise für neue Teile, die mit Mehrwertsteuer an die Endkunden verkauft würden. Die Teile bekomme man im Internet günstiger, so die Angeklagte, die etwa 11 000 Euro errechnet hatte. "Wo kommen wir da hin, wenn die Angeklagten die Schäden berechnen", empörte sich daraufhin die Staatsanwältin.

Der Gewinn, den die beiden allein bei Ebay im nachweisbaren Zeitraum erzielten, war aber wohl doch nicht so hoch, wie die Staatsanwaltschaft vermutete. Laut Aussage des ermittelnden Kriminalhauptkommissars boten sie die BMW-Sets, die sonst "deutlich über 100 Euro kosten", für 35 Euro an. "Die waren verdammt günstig", sagte er. "Da konnten andere nicht mithalten. Deswegen sind sie dem BMW-Ermittlungsdienst aufgefallen."

Das Gericht verurteilte die beiden zu je einem Jahr und zehn Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung. Die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt. Und sie müssen eine Geldauflage von 500 Euro zahlen. Außerdem müssen sie den Schaden erstatten. Abzüglich 19 Prozent Mehrwertsteuer wurde eine Gesamtschuldnerschaft in Höhe von 25 749 Euro vom Gericht ermittelt, das eine Einziehungsentscheidung traf. Ob das Geld gezahlt wird, sei dahingestellt. Beide verfügen über keinerlei Vermögen und die Geldauflage dürfen sie in monatlichen Raten von 25 Euro abstottern, weil sie pleite sind.

© SZ vom 15.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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