Amtsgericht:"Er steigert sich immer so rein"

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28-jähriger Sohn geht mit Messer auf Vater los: zehn Monate auf Bewährung und Verhaltenstherapie als Auflage

"Wegen nichts und wieder nichts" raste sein Sohn immer wieder aus, sagte der Vater als Zeuge vor dem Amtsgericht. Der 28-jährige Sohn saß auf der Anklagebank, er war im Herbst 2017 mit einem großen Küchenmesser auf den Vater losgegangen. Vater und Mutter konnten in ein Nebenzimmer flüchten und die Tür zuhalten. Der Polizei, die ihn kurz darauf aufgriff, sagte er: "Ich hatte eine derartige Wut, dass ich meine Eltern am liebsten umgebracht hätte." Auslöser des Streits war, dass der Vater gesagt hatte, der Sohn solle sich beeilen, weil er sonst den Bus versäumen würde.

Der junge Mann leidet unter Störungen seiner Impulskontrolle, hat nur einen Intelligenzquotienten von 89 und übt auch keinen Beruf aus, weil er psychisch nicht dazu in der Lage ist. Er ist aus mehreren betreuten Wohngruppen rausgeflogen, weil er auf andere losgegangen ist. Derzeit lebt er in einer Pension und besucht die Eltern im südlichen Landkreis nur gelegentlich.

So auch am 18. Oktober 2017. Er hatte bei ihnen gegessen, geduscht und sollte dann wieder den Bus zurück nehmen. Als ihn der Vater ermahnte, er solle sich beeilen, kam es erst zu einem Handgemenge mit gegenseitigen Schlägen. Dann nahm der Sohn ein Messer, das in der Küche offen herumlag, und ging damit auf den Vater los. Vater und Mutter flüchteten in das angrenzende Büro, hielten die Tür zu und riefen die Polizei. Der Sohn fügte der Tür einen Schnitt zu und verließ dann das Haus. Die Anklage lautete daher auf vorsätzliche und versuchte gefährliche Körperverletzung sowie Sachbeschädigung.

Der Angeklagte hatte bei der Polizei zu Protokoll gegeben, es sei ihm egal gewesen, was mit seinem Vater passiere. "Wir hatten noch nie ein gutes Verhältnis." Es sei ihm klar gewesen, dass er ihn mit dem Messer ernsthaft verletzen könnte: "Ich wollte zustechen." Er sei seither auch nur ein einziges Mal zuhause gewesen, weil er Sachen abholen wollte.

"Er steigert sich immer so rein", sagte die Mutter des Angeklagten, die als Zeugin aussagte. Es sei schon öfters vorgekommen, dass er mit der Faust auf die Eltern losgegangen sei. Er habe sie auch schon einmal mit einer Kehrschaufel geschlagen. "Er darf nach Hause kommen, aber es ist immer so ein mulmiges Gefühl dabei, dass etwas passiert. Wir wollten, dass er eine Therapie macht, aber die bricht er immer wieder ab."

Der Vater sagte über den Vorfall, "wenn der so ausrastet, halte ich alles für möglich". Ob der Sohn fähig gewesen wäre, ihn umzubringen, wisse er nicht, "aber er hätte auf jeden Fall zugestochen". "Ein falsches Wort und es geht los", fügte er hinzu. Der Sohn sei "unberechenbar".

Der 28-Jährige hatte bereits zwei Vorstrafen wegen Körperverletzung. Ein Attest bescheinigte ihm eine Entwicklungsstörung, eine Störung der Impulskontrolle und einen niedrigen Intelligenzquotienten. Er selbst wirkte in der Verhandlung apathisch, bereits einfache Sätze schienen ihm Mühe zu bereiten.

Die Staatsanwaltschaft forderte ein Jahr auf Bewährung und eine Aggressionstherapie. Sein Verteidiger plädierte auf neun Monate zur Bewährung und forderte ebenfalls eine Therapieauflage.

Richter Andreas Wassermann verurteilte ihn zu zehn Monaten zur Bewährung und zu einer Verhaltenstherapie, um seine Aggressionen in den Griff zu bekommen. Ein Bewährungshelfer soll ihn dabei unterstützen, weil der Angeklagte "nicht annähernd fähig sei", sich selbst darum zu bemühen. Wassermann ging noch von einer positiven Sozialprognose aus, obwohl der Angeklagte bereits zum dritten Mal wegen Körperverletzung vor Gericht stand.

© SZ vom 03.04.2019 / tdr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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