Amtsgericht:Disput um Mann und Herr

Lesezeit: 2 min

Amtsrichter verurteilt sogenannten Reichsbürger

Von Gerhard Wilhelm, Erding

"Der Herr ist nicht da, aber der Mann". Mit diesem Satz widersprach der 56-jährige Angeklagte des öfteren Amtsrichter Björn Schindler, der ihn zuvor stets mit "Herr" angeredet hatte. Dass es kein ganz einfaches Verfahren wegen Erpressung und Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes wird, ahnten alle Beteiligten schon vorher. Beim Angeklagten handelte es sich um einen sogenannten Reichsbürger, die die Existenz der Bundesrepublik Deutschland als legitimer und souveräner Staat leugnen, da ihrer Meinung nach das Deutsche Reich weiterhin fortbestehe. Auslöser des Gerichtsverfahrens war eine Zwangsräumung seiner Wohnung, zu der der Gerichtsvollzieher um Unterstützung durch die Polizei gebeten hatte. Diese Aktion hatten der Angeklagte und sein Bruder rechtswidrig gefilmt und im Anschluss versucht, den Gerichtsvollzieher so unter Druck zu setzen, dass dieser die Unrechtmäßigkeit der Zwangsräumung eingestehe.

Schon der Beginn der Verhandlung zeigte, dass der Angeklagte wenig Respekt vor dem Gericht hat. Mehrmals bat ihn Richter Schindler Platz neben oder vor seinem Pflichtverteidiger auf der Anklagebank zu nehmen, doch der sah sich nicht als angesprochen an - es sei eben kein Herr diesen Namens da, sondern nur der Mann. Der Aufforderung, sich zu entscheiden, ob er sich freiwillig hinsetze oder von den anwesenden Justizvollzugsbeamten dazu gezwungen werde oder den Saal verlasse - womit der Einspruch gegen den Strafbefehl verfällt, kam er nicht nach. Er sei nur als Beobachter da, sagte der 56-Jährige. Letztendlich kam es zu einer Art Kompromiss unter sanftem Druck der Beamten: sie geleiteten ihn zu einem Platz rund zwei Meter schräg hinter dem Pflichtverteidiger, wo er die ganze Verhandlung über stand. Links und recht flankiert von den beiden Justizbeamten.

Was an dem 14. Oktober 2016 in der Wohnung geschah, schilderten alle damals anwesenden Polizisten sowie der Gerichtsvollzieher ziemlich deckungsgleich: der Angeklagte sei bei der Zwangsräumung zusammen mit seinem Bruder anwesend gewesen. Zunächst habe sein Bruder die Aktion gefilmt. Als er trotz Hinweis, dass dies strafbar sei, nicht aufhörte, habe man ihm die kleine Kamera, die wie eine Taschenlampe aussah, weggenommen, was nicht ganz so einfach gewesen sei. Kaum habe man diese Kamera beschlagnahmt, habe der Angeklagte angefangen zu filmen und das Spielchen hätte sich wiederholt. Insgesamt wurden von dem 56-Jährigen Aufnahmen in Bild und Ton mit einer Länge von 13 Minuten und 19 Sekunden gemacht, so der ermittelnde Beamte.

Der Angeklagte, beziehungsweise "der Mann", sah die Aktion ganz anders. Er habe nur in Notwehr gehandelt, da es sich um einen Raubüberfall gehandelt habe, weshalb er auch den Notruf angerufen habe. Erst viel später hätten sich die Männer als Polizisten ausgewiesen.

Vier Monate später ging beim Gerichtsvollzieher ein Fax ein. Inhalt: ein 16 Punkte umfassender "Fragekatalog". Die einzelnen Punkte sollte der Gerichtsvollzieher widerlegen und zwar wegen "Gefahr in Vollzug" innerhalb von 72 Stunden sonst drohe ein Ordnungsgeld in Millionenhöhe. Der Gerichtsvollzieher ging nicht darauf ein und erstattete Anzeige wegen Nötigung.

Amtsrichter Björn Schindler verhängte letztlich eine Gesamtgeldstrafe von 110 Tagessätzen zu je 20 Euro und blieb damit unter der Forderung der Staatsanwältin, die für 130 Tagessätze zu je 40 Euro plädiert hatte. Schindler sah die Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes als eindeutig erwiesen an, aber die Erpressung sei im Versuchsstadium stecken geblieben und könne in der Ausführung fast schon als untauglicher Versuch gewertet werden.

© SZ vom 22.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: