Amtsgericht:Aussage gegen Aussage

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Richterin stellt Verfahren wegen Beleidigung und Körperverletzung mangels Zeugen ein. Ein Autofahrer soll einen anderen zur Rede gestellt haben, weil er durch dessen Fahrfehler gefährdet wurde

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Gerichtsverhandlungen sind in der Regel eher trockene Angelegenheiten, manchmal aber entlocken sie sogar dem Amtsrichter ein Lächeln, wie jüngst bei einem Prozess wegen Körperverletzung. Denn dem 49-jährigen Angeklagten wurde nicht nur vorgeworfen, dass er an der Tankstelle am Flughafen einen 32-Jährigen geschlagen, sondern auch übel beleidigt hat. Doch dies könne nicht sein, sagte der Angeklagte: "Fick Deine Mutter wird ein Bayer nie sagen", betonte er. Und auch seine Anwältin, ebenfalls hörbar eine Bayerin, pflichtet ihm bei: "Das hab ich noch nie von einem Bayern gehört". Eine Argumentation, die Richterin Michaela Wawerla schmunzeln ließ. Da Aussage gegen Aussage stand, wurde das Verfahren gegen ein Schmerzensgeld in Höhe von 150 Euro an den 32-Jährigen eingestellt.

Auch vor Gericht wusste der Angeklagte nach Verlesung der Anklageschrift durch die Staatsanwältin nicht, "ob ich lachen oder weinen soll. Das war schon so, als ich den Strafbefehl bekommen habe". Laut Staatsanwaltschaft sei er an der Tankstelle an das Auto des 32-Jährigen heran getreten, habe ihn zum Aussteigen aufgefordert, ihn mehrfach beleidigt und dann einen Faustschlag verpasst. "Ich hab gar nicht begriffen, was er wollte, was los ist. Ich habe ihm nur gefragt, warum er so aufgebracht ist und dass er langsamer sprechen soll", sagte der 32-Jährige, der als Zeuge auftrat. Dann habe der Angeklagte von ihm abgelassen, sei ins Auto gestiegen und weiter gefahren. Er habe sich gerade noch das Kennzeichen merken können und dann das Tankstellenpersonal gebeten, die Polizei zu rufen.

Für den 49-Jährigen stimmte davon nur eines: "Ich hab ihn geisteskrank genannt, das stimmt." Aber das habe seinen Grund gehabt. Als auf dem Weg zum Flughafen gewesen sei, habe der 32-Jährige bei strömenden Regen plötzlich auf der Straße gewendet und habe Mühe gehabt, sein Auto auf der Straße zu halten. Mit der Aktion hätte er ihn beinahe umgebracht und das habe er ihm sagen wollen. Er habe ebenfalls gewendet und ihn an der Tankstelle zur Rede gestellt. Klar sei er aufgebracht gewesen, aber habe ihn aber bis auf die Frage, ob er geisteskrank sei, nicht beleidigt. Schon gar nicht mit ausländerfeindlichen Worten. "Meine Lebensgefährtin ist aus Brasilien und die frühere dunkelhäutig. Also ist der Vorwurf lächerlich". Er sei nur völlig fassungslos gewesen, weil der 32-Jährige wie auf Drogen gewirkt habe und habe sich von dessen Teilnahmslosigkeit "veräppelt" gefühlt. Zugeschlagen habe er aber nicht. "Glauben sie mir, wenn ich zugeschlagen hätte, wäre er nicht mehr gestanden." Nachdem seine Wut am anderen verpufft sei, sei er wieder ins Auto gestiegen und weiter gefahren.

Weitere Zeugen des Vorfalls gab es nicht und auch die Aufzeichnung einer Videokamera brachte keine Aufklärung - sie zeigte nur die unteren Körperhälften beider Personen. Ob der 32-Jährige gewendet hat und nichts von der gefährlichen Situation mitbekommen hat, blieb unklar, da der Mann sagte, er wisse nicht mehr genau, welchen Weg er im Juli 2017 genommen habe. Stutzig machte, dass er in der Verhandlung angab, dass er mehrmals geschlagen worden sei, mit beiden Fäusten - aber immer auf die gleiche Gesichtshälfte. Zudem konnte er nicht mehr sagen, ob die Nase geblutet habe oder nicht. Zum Arzt ist er wegen Kopf- und Schmerzen im Gesicht erst ein paar Tage später gegangen.

Richterin Wawerla schlug deshalb vor, das Verfahren gegen ein geringes Schmerzensgeld für den "Geschädigten" einzustellen, dem der Angeklagte zustimmte, auch wenn er unschuldig sei. Die 150 Euro bekam der 32-Jährige gleich im Gerichtssaal in bar ausgehändigt. Er ließ aber offen, ob er sich nicht zurück in Österreich einen Anwalt nimmt, um privatrechtlich gegen den 49-Jährigen noch zu klagen.

© SZ vom 26.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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