Vor dem Eishockey-Derby :Nie zu weit weg

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Egal welche Mannschaft der 55-jährige John Samanski trainiert hat, Erding ist er bisher stets aus dem Weg gegangen. Am Freitag geht das nicht mehr, Erding kommt zum Bayernligaduell nach Dorfen. (Foto: Renate Schmidt)

Der Kanadier John Samanski wollte in Deutschland nur kurz Eishockey spielen. Dann lernte er in Erding seine Frau kennen und blieb. Der ehemalige Profi hat viele Vereine aus der Umgebung trainiert. Seit Sommer betreut er den ESC Dorfen - schon zum zweiten Mal.

Von Max Ferstl, Erding/Dorfen

John Samanski sitzt in einem Café in der Erdinger Innenstadt und schneidet eine Grimasse - knifflige Frage, die man ihm, dem Trainer des ESC Dorfen, da gerade gestellt hat. Ob die Bayernliga-Partie am Freitag (20 Uhr) in Dorfen gegen Erding für ihn eine spezielle sei? "Jein", sagt Samanski schließlich. Nein, weil er Trainer des ESC Dorfen ist und das Spiel wie jedes andere gewinnen will. Ja, weil es nun mal gegen Erding geht. Hier lebt Samanski, hier schoss sich der Kanadier mit vielen Toren in den 90er Jahren in die Herzen der Erdinger Fans, hier war er später Trainer. Soweit er sich erinnern kann, ist er nie zuvor in einem Pflichtspiel gegen Erding angetreten. Bis jetzt.

Samanski muss lachen, als ihm der Zufall bewusst wird. Egal welche Mannschaft der 55-Jährige trainiert hat, Erding ist er bisher stets aus dem Weg gegangen. Gelegenheiten hätte es durchaus einige gegeben. Samanski ist, wenn man so will, der Trainer für das Umland östlich von München. Er war in Klostersee, Freising und bereits zwei Mal in Erding, Miesbach und Dorfen. Alle Stationen haben gemeinsam, dass sie nicht weit von seinem Zuhause in Erding entfernt liegen, nicht weit weg von Frau Tanja und den sieben Kindern. "Die Familie geht vor", sagt Samanski. Das ist sein zentraler Grundsatz.

Ansonsten hätte er sich vielleicht ein paar Mal anders entschieden. 2008 zum Beispiel, als er den EHC Klostersee mit einem eher dürftigen Kader auf Platz fünf der Oberliga geführt hatte. Viele schrieben den Erfolg damals Samanski zu. Die Kollegen wählten ihn zum Trainer des Jahres, Manager aus höheren Ligen meldeten sich. Samanski lehnte ab. "Geht nicht. Zu weit weg von Erding."

Wie Samanski "Erding" sagt, mit seinem warmen Ahornblatt-Akzent, klingt nach Heimat. Dabei war das ursprünglich ganz anders geplant, als er 1985 nach Augsburg kam. Zu Hause in Kanada wollten ihn damals die Vereine der National Hockey League nicht, der besten Eishockey-Liga der Welt. Also ging Samanski nach Deutschland, wie es viele Kanadier tun, wenn es in der Heimat nicht reicht. "Es war ein Abenteuer", sagt Samanski. Warum auch nicht etwas erleben, etwas von der Welt sehen und obendrein noch gutes Geld mit dem Sport verdienen, den man liebt? Deutsche Klubs zahlen gut, verglichen mit den unterklassigen Minor Leagues in Nordamerika.

Ein, vielleicht zwei Jahre wolle er es probieren, sagte er sich - und hängte dann stets ein weiteres Jahr dran. Samanski kam herum, spielte für verschiedene Klubs und machte sich einen Namen als trickreicher Torjäger, der zudem ein Auge für die Mitspieler besitzt. Einmal in Stuttgart gelangen ihm in 28 Spielen 74 Tore und 92 Vorlagen - sagenhafte Werte. Anfang der Neunzigerjahre schloss er sich dem TSV Erding an. Am zweiten Tag, Samanski lag am Kronthaler Weiher, lernte er Tanja kennen. Ab dem Moment war die Sache klar: Nie mehr weit weg.

Dass er im Sommer den ESC Dorfen übernommen hat, war im Wortsinne naheliegend - für beide Seiten. Die Dorfener waren ihrerseits froh, einen Trainer zu bekommen, der nicht weit weg wohnt. Mit Samanskis Vorgänger Heinz Feilmeier hatte sich der Verein unter anderem wegen eines Dienstwagens entzweit. Außerdem ist Abteilungsleiter Manfred Detterbeck von Samanskis Fähigkeiten überzeugt: "Er ist genau der Trainer, der wir gebraucht haben." Sowohl Motivator, der im Sommer so viele Spieler ins Training brachte wie lange nicht, als auch Entwickler, der junge Talente fördern kann. Diese Kompetenz dürfte in nächster Zeit besonders gefragt sein. Erfahrene Kräfte wie Kapitän Andreas Attenberger, den Samanski noch von seiner ersten Station in Dorfen 2011 bis 2013 kennt, werden in nicht allzu ferner Zukunft aufhören. Nachwuchsspieler sollen in die Verantwortung hineinwachsen - und dabei sportlich erfolgreich sein. Das Ziel ist Platz acht. Die neue Saison begann schon mal vielversprechend: Der ESC gewann die ersten beiden Partien.

Dorfen hat sich in den vergangenen Jahren im vorderen Drittel der Tabelle etabliert, ohne finanziell große Risiken einzugehen. Samanski nennt das "bodenständig". Denn im Eishockey ist so eine Konstanz eher die Ausnahme als die Regel. Der Sport kämpft überall um seine Wirtschaftlichkeit. Regelmäßig geht irgendeinem Verein das Geld aus. "Das gehört leider dazu", sagt Samanski. Er war oft genug nah dran, wenn es mal wieder schiefging.

2015 trainierte er die Erding Gladiators, deren damaliger Geschäftsführer hoch hinaus wollte. Als die Schulden wuchsen, kündigte man ihm und vier Spielern vor den letzten Partien ihre gültigen Verträge. "Es war sehr schwer für die Mannschaft", sagt Samanski. Er stellte sich trotzdem hinter die Bande und brachte es zu Ende. Er fand, das würde sich so gehören.

Im Eishockey gehören Pleiten dazu. "Vieles wiederholt sich", sagt Samanski. Manches ändert sich auch: Inzwischen setzen die Erdinger auf den eigenen Nachwuchs. "Die Philosophien in Erding und Dorfen ähneln sich gerade", findet der Trainer. Er würde sich freuen, wenn die zuletzt etwas abgekühlte Rivalität wieder aufleben könnte wie früher. Das sei möglich: "Ich glaube schon, dass die Menschen hier stolz sind auf ihre Vereine."

Dann schaut Samanski auf die Uhr, er muss los. Sein Sohn Noah spielt im Erdinger Nachwuchs in der U-12-Mannschaft. Gerade ist Training. John Samanski wird ihn abholen. Zum Glück ist der Weg nicht weit.

© SZ vom 12.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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