Alkohol ist das häufigste Problem:20 Jahre Suchtberatung und Therapie

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Prop feiert Jubiläum: 1996 startete der Verein in Erding mit einer eigenen Anlaufstelle

Von Jan-Hendrik Maier, Erding

"Süchte halten der Gesellschaft einen Spiegel vor", sagt Thomas Pölsterl, Leiter der Psychosozialen Beratungs- und Behandlungsstelle des Vereins Prop. Ob Menschen mit einer Alkoholproblematik, Glücksspieler oder Cannabiskonsumenten - bei Prop können sie Hilfe finden. Seit 20 Jahren gibt es in Erding die Einrichtung, die Suchtkranken Beratung und Therapie anbietet. In zwei von fünf Fällen geschieht das auf staatliche Anweisung. Am Dienstag hat das Team von Prop mit seinen Kooperationspartnern aus verschiedenen sozialen und therapeutischen Einrichtungen, der Justiz und dem Jobcenter sowie mit Sponsoren des Vereins das Jubiläum gefeiert. Gelegenheit für intensive Gespräche, Kontaktpflege und nicht zuletzt einen hervorragenden Blick über Erding bot der Empfang auf der Dachterrasse neben dem Schönen Turm. Michael Kragler, Facharzt für Psychiatrie, hielt zudem ein amüsantes Referat über die Kulturgeschichte des Alkohols.

Die Anfänge der Suchtberatung in der Kreisstadt reichen weiter als das Jubiläum zurück. Bereits 1979 unternahm Prop im Erdinger Jugendzentrum "Picknick" den Versuch, jungen Frauen und Männern bei Problemen mit Drogen und in ihren Alltagssorgen zur Seite zu stehen. Das Experiment misslang, da die Räume zu hellhörig gewesen seien und damit für vertrauliche Beratung ungeeignet, so Pölsterl. Noch im gleichen Jahr begann man auch mit Sprechstunden für Inhaftierte in der Justizvollzugsanstalt Erding. 1997 gab Prop die Betreuung in der JVA an den Verein Brücke in Landshut ab.

Der Grundstein für die heutige Beratungsstelle wurde 1985 gelegt. In der Roßmayrgasse eröffnete Prop eine Außenstelle seines Freisingers Zentrums. In der nahen Domstadt hatte man schon zwölf Jahre Erfahrung gesammelt als "Mädchen für alles" für Pubertierende und mit der Beratung von Drogenabhängigen. Die Expansion nach Erding sei nicht von Ungefähr gekommen, sagt Pölsterl. Anfang der 1980er-Jahre sei Heroin ein Thema in der Kreisstadt gewesen. Ein Aufhausener Club hätte dem Münchner Publikum sogar als Umschlagsplatz gedient. Zugleich spielten Drogen eine immer größere Rolle in der Gesellschaft: Amphetamine wurden in der Szene beliebt, das bürgerliche Milieu frönte dem Alkohol und bundesweit stieg die Zahl der Drogentoten. Es war Zeit, zu handeln und so begann man mehrmals in der Woche mit der Beratung in einem kleinen Raum in der Roßmayrgasse.

Dank finanzieller Förderung durch die Regierung von Oberbayern gelang es Prop im Mai 1996, mit einer eigenen Stelle in Erding Fuß zu fassen. Die Eröffnung sei "ein Politikum" gewesen, sagt Pölsterl, denn der damalige Landrat Xaver Bauer habe damit eingestehen müssen, dass auch die Kreisstadt ein "Drogenproblem" habe. Ein Psychologe und zwei Sozialpädagogen nahmen schließlich in der Schlachthausstraße den Betrieb auf. Mittlerweile betreuen in Erding elf Fachleute aus den verschiedensten Bereichen, vom Psychotherapeuten bis zum Arzt, die Patienten.

Von Anfang an sind es vor allem Menschen mit einer Alkoholproblematik, die bei Prop Hilfe suchen; bis heute machen sie etwa 50 Prozent der Hilfesuchenden aus. Die Zahl der Patienten ist über die Jahre hinweg kontinuierlich angestiegen. Erfreulich ist Pölsterl zufolge auch, dass man immer mehr ältere Menschen erreiche. Ambulante Reha, häusliche Betreuung, anonyme Gesprächsrunden, Traumabewältigung, Jugendhilfe - Prop ist in Erding breit aufgestellt und setzt auf Innovation. Seit wenigen Wochen wird eine Therapie für Glücksspieler angeboten und vor einem Jahr eröffnete zusätzlich eine Kontakt- und Begegnungsstätte für Suchtkranke.

© SZ vom 22.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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