Aktionsgruppe Asyl:"Wir sind in größter Not"

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Beim Neujahrsempfang ist die Stimmung gedrückt: Es gibt immer weniger ehrenamtliche Flüchtlingshelfer. Das Verhältnis zum Landratsamt ist angespannt

Von Thomas Jordan, Erding

Ganz am Schluss, als sie ihre Wünsche für das neue Jahr aufzählt, schleicht sich doch noch ein Lächeln ins Gesicht von Maria Brand. Es ist ein unbeugsames, kämpferisches Lächeln, als die Vorsitzende der Aktionsgruppe Asyl (AGA) im Landkreis Erding von ihrer Hoffnung erzählte, dass auch hier in der Region Menschen gegen Transitzentren für Flüchtlinge auf die Straße gehen. So wie vor kurzem in Wien. Dort hätten vor kurzem 80 000 Menschen dagegen demonstriert, Flüchtlinge an verschiedenen Orten "zu konzentrieren". "Das darf nicht sein, das ist eine Rückkehr in alte Zeiten", sagte die 71-Jährige bei dem Neujahrsempfang ihres Vereins. Von den etwa 100 Gästen aus Politik, Kirche und den Flüchtlingshelferkreisen gab es dafür an diesem Abend im Saal der Pfarrei St. Vinzenz starken Beifall.

Bis dahin war die Stimmung beim Neujahrsempfang der AGA eher gedrückt. "Wir sind in größter Not, was die Ehrenamtlichen angeht", hatte Maria Brand zu Beginn ihres Rückblicks auf das vergangene Jahr gesagt. Noch im Jahr 2016 hätten sich 140 Helfer im Landkreis Erding ehrenamtlich engagiert. Seit dem vergangenen Jahr ging es dann abwärts mit der Zahl der Freiwilligen. Aktuell sind es noch etwa 50 aktive Helfer, die sich von der AGA um Asylbewerber im Landkreis kümmern. Einen wichtigen Grund für die sinkende Bereitschaft zu helfen, sah Brand bei ihrem Jahresrückblick darin, dass Flüchtlings-Unterkünfte im Landkreis aufgelöst wurden.

"Mindestens vier sehr gute Helfergruppen" haben deswegen aufgehört, sagte sie. Einige Flüchtlinge warteten außerdem seit Jahren darauf, dass sie über ihren Asylstatus informiert würden. Und der Frust, der sich bei den Asylbewerbern anstaue, übertrage sich auch auf die Helfer. In ihrer Rede verwies Brand aber auch auf einen tiefer liegendenden Grund für die angespannte Situation von Flüchtlingen und Helfern im Landkreis. Seit gut einem Jahr sei der Ermessensspielraum für die Ausländerbehörden auf Kreisebene viel größer geworden. Im Landkreis Erding werde die Bleibeperspektive für Flüchtlinge nun "sehr streng ausgelegt". Diese Klage bekam man an den Tischen der etwa 100 Gäste aus Politik, Kirche und Helferkreisen an diesem Abend öfters zu hören. Das führe dazu, so Brand, dass viele Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive keine Arbeit aufnehmen könnten. Insgesamt eine Million Euro Einnahmen aus Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen entgingen der öffentlichen Hand dadurch im Landkreis, rechnete sie vor.

Einige der Anwesenden bedauerten daher, dass Landrat Martin Bayerstorfer sein Erscheinen beim Neujahrsempfang kurzfristig abgesagt hatte. "Es wäre doch wichtig, dass wir miteinander reden", sagt Doris Kraeker. Die Grundschullehrerin und Grünen-Politikern kümmert sich mit nur einer weiteren Ehrenamtlichen um die Asylbewerber in der Unterkunft in der Erdinger Eichenstraße. Die Aufgaben, die sie in ihrer Freizeit unbezahlt übernimmt, reichen dabei vom Deutschunterricht bis zur Hilfe beim Umgang mit Behörden. 74 Vollzeitstellen hätten die ehrenamtlichen Helfer mit ihren monatlich insgesamt 10 000 unbezahlten Arbeitsstunden im Landkreis ersetzt, zitierte Maria Brand eine Studie.

Der Tagesordnungspunkt "Positives" fiel dagegen recht kurz aus. Immerhin habe man seit kurzem ein Büro mit Besprechungsraum im alten Postgebäude am S-Bahnhof in Erding. Und in Langengeisling, so war zu hören, habe eine Dame ihr Erbe dafür verwendet, ein Fertighaus für syrische Flüchtlinge bauen zu lassen.

Ansonsten waren an diesem Abend aber eher die Flüchtlinge für die aufmunternden Aspekte zuständig. So stellten Nurieh Amiri und Kenda AlAlrham den "Internationalen Frauentreff" vor. Ein Projekt, das auch von der katholischen Kirche gefördert wurde, wie Monsignore Rainer Boeck, bei seinem Schlusswort betonte.

Boeck hatte selbst vor kurzem das Flüchtlings-Transitzentrum Manching besucht. Die Situation dort entspreche nicht einem Rechtsstaat und sei letztlich nur auf die Rückführung der Asylbewerber angelegt, kritisierte er. Demgegenüber bemühe sich seine Kirche um Hilfe für die Flüchtlinge. "Wenden Sie sich an uns," war dann auch die Botschaft des Diözesanbeauftragten für Flucht an die Helferkreise. Es schwang schon wieder etwas Hoffnung mit, als Maria Brand am Ende ihrer Rede betonte: "Trotz aller Knüppel, die wir zwischen die Beine bekommen: Wir wissen, unsere Arbeit ist unerlässlich."

© SZ vom 27.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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