Pilotprojekt im Bereitschaftsdienst:Gelungener Start

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Wer krank ist, weiß es zu schätzen, wenn er eine Anlaufstelle findet - auch wenn die Praxis des Hausarztes schon geschlossen ist. Im Klinikum Erding wurden die Sprechzeiten des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes ausgedehnt. (Foto: Stephan Goerlich)

Die längeren Öffnungszeiten am Klinikum Erdung haben sich bewährt. Die niedergelassenen Ärzte sind entlastet. Wie sehr die Notaufnahme davon profitiert, ist jedoch noch unklar

Von Regina Bluhme, Erding

Bauchschmerzen oder Fieber setzen gerne ein, wenn die Arztpraxen bereits geschlossen haben. Am Klinikum Erding gibt es seit fast zehn Jahren die Ärztliche Bereitschaftspraxis, die Samstag und Sonntag Sprechstunde hat. Seit Anfang Juli ist die Praxis auch wochentags besetzt. Die erweiterten Öffnungszeiten sind Teil eines Pilotprojekts der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB). Der Plan: Ein flexibler Ärztepool und ein Fahrdienst für Hausbesuche sollen Patienten bestmöglich versorgen und den Beruf für den Nachwuchs attraktiver machen. Nicht zuletzt soll auch verhindert werden, dass immer mehr Bagatellfälle in der Notaufnahme landen.

Das Projekt startete im Juli

Seit 1. Juli 2016 gibt es die Pilotregion Erding-Ebersberg innerhalb des KVB-Bereitschaftsdiensts. Was das bedeutet, wurde am Dienstag bei einer Pressekonferenz im Klinikum erläutert. Da ist zunächst einmal die Ausweitung der Sprechzeiten: Die Bereitschaftspraxis im ersten Stock des Klinikums ist Montag, Dienstag und Donnerstag von 18 bis 21 Uhr, Mittwoch und Freitag von 16 bis 21 Uhr und Samstag, Sonntag und Feiertag von 9 bis 21 Uhr geöffnet.

Wie Gökhan Katipoglu, Leiter Notdienste und Bereitschaftsdienst KVB, weiter sagte, gibt es seit Juli auch am Klinikum Ebersberg eine Bereitschaftspraxis. "Der Pool von Ärzten wurde neu aufgesetzt", fügte er hinzu. Darin befänden sich 280 niedergelassene Haus- und Fachärzte aus den Landkreisen Erding und Ebersberg. Im Gegensatz zu früher könnten sich jetzt auch Ärzte ohne Dienstverpflichtung, wie beispielsweise Klinikärzte, für den Bereitschaftsdienst melden. Die Mediziner entscheiden, ob sie "Sitzdienst" in der Bereitschaftspraxis machen oder auf Abruf für Hausbesuche zur Verfügung stehen.

Die niedergelassenen Ärzte werden entlastet

Neu ist auch, dass in der Pilotregion ein medizinisch geschulter Fahrer den Arzt bei den Hausbesuchen begleitet. Das sorge bei Frauen für ein stärkeres Sicherheitsgefühl gerade nachts, erklärte Susanne Schober vom Ärztlichen Kreisverband Erding. Es gäbe immer mehr Frauen, die Medizin studierten. "Schließlich geht es auch darum, den Beruf attraktiver zu machen." Zum Beispiel durch Dienstzeiten in einer Bereitschaftspraxis, die sich mit der Familie vereinbaren ließen, fügte ihr Kollege Rainer Hart hinzu. "Die alte Struktur war ein Killer für die Nachwuchsgewinnung."

Elmar Gerhardinger, Vorsitzender des Ärztlichen Kreisverband, erinnerte daran, dass die Bereitschaftspraxis am Klinikum bereits seit neun Jahren besteht. Zuvor hätten vier Ärzte den Bereitschaftsdienst im Landkreis stemmen müssen. Die Einrichtung habe sich als Win-Win-Win-Situation erwiesen: "Patienten werden gut versorgt, Ärzte in ihren Dienstzeiten entlastet, und auch die Notaufnahme wird entlastet", betonte er. Insgesamt seien in den neun Jahren rund 60 000 Patienten in der Bereitschaftspraxis behandelt worden.

Politik soll pädagogisch auf die Bürger einwirken

In der Pilotregion werde nun "die wichtige medizinische Versorgung deutlich ausgeweitet und verbessert", lobte Landrat Martin Bayerstorfer (CSU). Klinikum-Vorstand Sándor Mohácsi sprach von einer sehr guten Entwicklung. "Wir übernehmen nach 21 Uhr, das ist alles geschmeidig angelaufen." Ein wenig Bauchgrimmen hat der ärztliche Direktor des Klinikum, Gerhard Konrad, aber noch wegen der Bagatellfälle, die immer wieder in der Notaufnahme landeten. "Das wird jedes Jahr mehr." Ein nicht untypisches Beispiel: Da tauche ein Mann gegen 1.30 Uhr in der Notaufnahme mit Rückenschmerzen auf, "und er erklärt, er komme erst jetzt, denn um diese Uhrzeit müsse er sicher nicht lange warten", sagte Konrad. "Hier besteht Aufklärungsbedarf", forderte auch Rainer Hart. Er kritisierte, dass sich einige Patienten nach einem "non-stop-shopping system" verhielten: sofortige Behandlung mit sämtlichen Untersuchungen, die möglich seien. Da müsse die Politik mal "pädagogisch auf die Bevölkerung eingehen".

Wie weit sich das neue System und die längeren Öffnungszeiten auf das Klinikum auswirken, könne er jetzt noch nicht sagen, betonte Konrad. Ihm sei aber von den Internisten gemeldet worden, "dass seit Juli die leichteren Fälle ein bisschen weniger geworden sind". Laut Susanne Schober schwankt die Patientenzahl zwischen 30 und 130 am Tag. "In einem Jahr wissen wir mehr", schloss Gökhan Katipoglu.

© SZ vom 15.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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