Abgestürztes Kampfflugzeug:Das Getarnte sichtbar machen

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Der Stahlbildhauer Hex aus Osseltshausen ist Mitglied der Royal British Society of Sculptors. Aktuell arbeitet er an einer JU 87

Von Katharina Aurich, Osseltshausen

Morgens um sieben Uhr steht der Bildhauer Hex bereits in seiner Werkstatt und schaltet das Schweißgerät ein. Mit Flex, Hammer und Poliermaschine baut er ein abgestürztes Kampfflugzeug aus dem Zweiten Weltkrieg, die JU 87. Die Edelstahlskulptur in Originalgröße wird im nächsten Jahr Teil einer Ausstellung im Park von Burghley-Haus in England sein. Denn Hex, der seinen richtigen Namen nicht verrät, seinen Künstlernamen beim Patentamt als Marke eintragen ließ und ihn auch in seinem Ausweis und Führerschein stehen hat, ist Mitglied der Royal British Society of Sculptors. Dies sei eine ganz besondere Ehre, denn es sei die weltweit berühmteste Bildhauervereinigung. Die Briten hätten eine lange Bildhauertradition, erzählt der Künstler, der in einem alten, renovierten Anwesen am Ortsrand von Osseltshausen in der Hallertau lebt und arbeitet.

Er schätze vor allem das Mentoring unter den Bildhauern der Vereinigung, ihn unterstütze zum Beispiel Helaine Blumenfeld, eine der berühmtesten zeitgenössischen Künstlerinnen und er selbst sei wiederum Ansprechpartner für fünf junge britische Bildhauer. In England oder den USA zähle ausschließlich das Werk eines Künstlers, in Deutschland dagegen sei es schwieriger, sich zu etablieren, wenn man über keinen Uni-Abschluss und die daraus resultierenden Netzwerke verfüge.

Ohne Ausbildung und ohne Studium wusste Hex, der in Hohenbrunn mit fünf Geschwistern aufwuchs, schon als junger Mann, dass er als Bildhauer arbeiten wollte. Seine erste Skulptur aus Blech hatte er als 25-Jähriger verkauft und seine erste Ausstellung in München war nach kurzer Zeit ausverkauft. Es folgten Stipendien, weitere Ausstellungen und Hex kam kaum noch der Nachfrage nach seinen Kunstwerken hinterher. Nicht nur aus Stahl, sondern auch aus Marmor und Stein entstanden unzählige Skulpturen. "Ich brauche keine Ideen, sondern ich beginne zu arbeiten. Dann entscheide ich, was ich mache, ein Künstler ist Weltmeister im Entscheiden", beschreibt Hex.

Für seine abstrakten Skulpturen entwickelte er eine eigene, organische Formensprache, seine Skulpturen stehen heute auf der ganzen Welt. Außerdem liebt Hex das Reisen, sieben Jahre lang arbeitete er in einem Atelier in Kanada und stellte in den USA aus. "Aber die Hallertau ist für mich der schönste Ort der Welt, schöner als die Toskana, ich möchte nirgends sonst leben", sagt er. Wenn man viel auf der Welt unterwegs sei, brauche man eine Heimat, in die man immer zurückkehren könne. In Osseltshausen fühle er sich wohl und sei voll "in die tolle Dorfgemeinschaft" integriert: als dreimaliger Schützenkönig, Mitglied der Schäfflertanzgruppe und Gerätewart im Obst- und Gartenverein. Er sei sogar Mitglied im Krieger- und Soldatenverein, obwohl er Zivildienst geleistet habe.

Aber viel Zeit für die Vereine hat Hex im Moment nicht, denn sein aktuelles Projekt benötigt seine ganze Kraft und Zeit. Die Skulptur stellt eine notgelandete, schwerbeschädigte JU 87 dar, die auf der linken Tragfläche liegt, die Nase im Boden, die Propeller nach hinten gebogen. "Es geht dabei um meine Gefühle als Sohn einer Bäuerin aus dem Süden Münchens, die mir als Kind lebhaft die vielen Bomber beschrieben hat, die den Himmel verdunkelten, die Luft mit Motorenbrummen erfüllten und München drei Tage lang brennen ließen." Leidenschaftlich hätten ihm seine Eltern Kriegsgeschichten erzählt, sein Vater habe - wie auch der Künstler Josef Beuys - im Krieg eine solche Maschine geflogen, erzählt Hex.

"Ich transformiere die Waffe zur Skulptur und somit das Böse zur Kunst." Die Diskrepanz zwischen einem wertlosen Flugzeugwrack, das in Tarnfarben gestrichen war, um möglichst schlecht gesehen zu werden, und dem Material der Skulptur sei wichtig. Der matt geschliffene Edelstahl verkörpere Wert und Ästhetik. So transformiere er das Wertlose zu etwas Wertvollem, das Vergängliche werde unvergänglich, das Getarnte solle gesehen werden, beschreibt Hex seine Botschaft.

© SZ vom 03.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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