44-Jähriger am Amtsgericht:"Teufel Alkohol" führt immer wieder ins Gefängnis

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44-jähriger Angeklagter leidet seit Jahren unter starken Schmerzen. Im Rausch wird er aber häufig straffällig

Von Gerhard Wilhelm, Erding

"Ich muss etwas ändern, sonst sitze ich nur noch im Gefängnis." Mit dieser Einsicht war der Angeklagte am Amtsgericht Erding nicht alleine. Auch Richter Björn Schindler wünschte dem 44-Jährigen viel Glück, damit er seine Probleme in den Griff bekommt: vor allem sein Alkoholproblem. Dass er ohne Schmerzmittel nicht leben kann, gestand ihm indes sogar der Staatsanwalt zu. Nach einigen schweren Verkehrsunfällen Anfang 20 ist er auf diese Medikamente angewiesen und gilt als nicht therapierbar. Diesmal stand der 44-Jährige wegen einer ganzen Latte von Vergehen vor Gericht: Hausfriedensbruch. versuchte Körperverletzung, Beleidigung, Bedrohung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Verstoß gegen die Weisungsaufsicht. Alles mehrfach. Und auch diesmal muss er eine Haftstrafe absitzen, insgesamt ein Jahr und acht Monate.

Im Mittelpunkt stand ein Vorfall am 25. April 2017 am S-Bahnhof Flughafen, wo er erheblich betrunken herum pöbelte bis die Polizei kam. Die zwei Beamten beleidigt er wüste und drohte vor allem einem Polizisten, der seine Personalien feststellen wollte: "Ich töte Dich". Dass er sich wegen einem Hausverbot sowieso nicht am Flughafen aufhalten hätte dürfen, war zu dem Zeitpunkt schon sein kleinstes Problem. Sowohl bei der Mitnahme zur Wache als auch dort widersetzte er sich dann den Vollstreckungsbeamten. Auf der Wache versuchte er einem der Bundespolizisten einen Kopfstoß zu verpassen, der zum Glück fehl ging.

Der Angeklagte und sein Pflichtverteidiger gaben alles vollumfänglich zu. Der 44-Jährige entschuldigte sich auch bei dem als Zeugen geladenen Beamten, der bei dem Einsatz verletzt wurde. Ohne Alkohol wäre alles nicht passiert, aber Alkohol sei sein Begleiter seit seiner Jugend. Aufgewachsen in einer Gastronomiefamilie habe er schon in der Lehre zum Koch an sechs bis sieben Tagen in der Woche 14 bis 15 Stunden täglich gearbeitet. Danach sei er zwar müde gewesen, aber auch so aufgedreht, dass er erst mit Alkohol runter kam. Anfang 20 habe er dann zwei schwere Auto- und Motorradunfälle mit zahlreichen Brüchen gehabt. "Ich habe damals Glück gehabt. Mit den Schmerzen daraus muss ich aber leben, ich bin selber schuld", sagt der Angeklagte. Auch der Knochenjob Koch habe seinen Rücken zusätzlich ruiniert und seit 2008 sei er berufsunfähig. Bis dahin hatte er in renommierten Lokalen gearbeitet und sogar im Fernstudium ein Diplom in Informatik geschafft.

Parallel zu seinem Alkoholkonsum fingen seine Straftaten an. 18 Einträge umfasst das Bundeszentralregister: von Betrug mit 17 bis zum Verstoß gegen eine gerichtliche Weisungspflicht keinen Alkohol zu trinken vor dem April 2017. Dazwischen sind unter anderem Nötigungen, gefährliche Körperverletzungen, Beleidigungen, Diebstahl, räuberische Erpressung und Hausfriedensbruch verzeichnet. "Den Teufel Alkohol" nannte der Staatsanwalt als größtes Problem des 44-Jährigen. Weil er als untherapierbarer Schmerzpatient gelte, regte er ein Gutachten zur Abstinenzfähigkeit des Angeklagten an, sonst würde er immer wieder gegen die Weisungspflicht verstoßen und verurteilt werden.

Wegen der vielen Vorstrafen und schlechten Sozialprognose wurde der 44-Jährige schließlich insgesamt zu einem Jahr und acht Monaten Haft verurteilt, wovon er schon knapp ein Jahr in U-Haft abgesessen hat.

© SZ vom 08.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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