150 Jahre Berufschule Erding:Weltrekord im Unterrichtsmarathon

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An der Herbert-Weinberger-Schule werden 150 Stunden am Stück absolviert. Einen Eintrag ins Guinness-Buch wird es aber nicht geben.

Von David Holz, Erding

Kaffeetassen und Energy Drinks stehen zwischen Taschenrechnern und Ordnern auf den Tischen. Müde und gegen den Schlaf kämpfende Schüler versuchen die optimale Bestellmenge für fiktive Produkte auszurechnen. Diese und ähnliche Szenen spielen sich diese Tage in der Berufsschule in Erding ab. Die Berufsschule feiert dieses Jahr Jubiläum. 150 Jahre alt ist die Dr.-Herbert-Weinberger-Schule am 11. April geworden, im Rahmen des Geburtstages werden mehrere Projekte über das Jubiläumsjahr verteilt. Zu den Projekten, die Lehrer in Zusammenarbeit mit freiwilligen Schülern auf die Beine stellen, gehören unter anderem eine Spendenaktion sowie eine Ausstellung. Die spektakulärste Aktion dürfte jedoch der Weltrekordversuch sein. Der Versuch von 150 Stunden Unterricht am Stück läuft seit Montag Morgen und soll bis Samstag, 16 Uhr gehen.

Die Lehrer waren begeistert.

Für viele Schüler ist ein normaler Schultag mit möglicherweise zusätzlichem Nachmittagsunterricht schon lang, aber 150 Unterrichtsstunden? Und das an einem Stück? Die Idee zu diesem Unterrichtsmarathon stammt von Thomas Melzl, Lehrer des kaufmännischen Bereichs Großhandel, Sozialkunde und Englisch, an der Berufsschule. "Der Nachtunterricht ist keine Spaßveranstaltung, sondern ganz normaler Unterricht, wie tagsüber auch", betonte Melzl. Intensiver Unterricht halte die Konzentration der Schüler am ehesten hoch, so würden auch Stegreifaufgaben geschrieben werden.

"Aus Spaß wurde Ernst", beschreibt Melzl seine Idee. Was er zunächst als "einen lustigen Gag" vorbrachte, fand bei der Lehrerschaft schnell Anklang. Als er das erste Mal mit der Idee vor die Klasse trat, reagierten diese ausgesprochen positiv und waren sehr begeistert, so die Lehrkraft. Mehrere Klassen hätten sich anschließend freiwillig zur Teilnahme am Weltrekord gemeldet. Der aktuelle Rekord liegt bei 48 Stunden Unterricht am Stück, dies allerdings nur von einer Klasse.

Da ein solches Vorhaben nicht von Einzelpersonen zu meistern ist, findet der Unterricht im Schichtwechsel statt. Fünf Klassen, darunter eine Flüchtlingsklasse, sowie 30 Lehrer wechseln sich an den sechs Tagen ab. Jede Klasse hat sechs Unterrichtsstunden am Stück. Die erste Schicht beginnt wie gewohnt um 8 Uhr und geht bis 14 Uhr. Von da an übernimmt eine weitere Klasse den Unterricht bis 20 Uhr. Für die Schüler der ersten Nachtphase gilt es anschließend bis 2 Uhr morgens wach zu bleiben und die wohl unangenehmste Schicht müssen die Schüler von 2 Uhr bis 8 Uhr durchstehen.

Die Nachtklassen bekommen einen Schlafraum.

Da um diese Uhrzeiten keine Busse mehr fahren, hat die Berufsschule einen Schlafraum für alle Schüler der Nachtklassen eingerichtet. Laut Melzl sei dies vor allem für die Flüchtlingsklasse wichtig, da diese Schüler insbesondere auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen seien. Beantragt wurde auch ein Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde, der jedoch bis heute unbeantwortet blieb. Weiter berichtet der Lehrer, dass die gesamte Schulgemeinschaft sehr enttäuscht darüber sei und es als sehr schade empfindet, man jetzt aber das "persönliche Projekt und den Weltrekord erst recht machen werde". "Zunächst fanden wir die Idee des Weltrekords echt cool, nachdem der Antrag allerdings unbeantwortet blieb, fragt man sich manchmal schon, warum man das dann eigentlich macht", merkte Marc Florian, Schüler der GH10b an.

Auch für das tägliche und nächtliche Wohl ist gesorgt. So haben zum einen die Schüler des Fachbereichs Gastronomie dazu beigetragen, zum anderen hat der Kantinenbetreiber der Berufsschule, Werner Wiener, das Essen gesponsert. Dies kam bei den Schülern sehr gut an, betonte Melzl. "Wir hatten stets auch zu späterer Stunde eine sehr gute Verpflegung", ergänzte Julia Wanderer, Schülerin der GH10b.

Das Programm zum Jubiläum hat noch viel mehr zu bieten.

Neben dem Rekordversuch sind anlässlich des Jubiläums zahlreiche weitere Projekte geplant. Für den offiziellen Festakt am 28. September, auf den Tag genau 150 Jahre nach der Eröffnung, konnte die Schule den ehemaligen Amtschef des Kultusministeriums Josef Erhard als Festredner gewinnen. Dort startet auch eine zweiwöchige Ausstellung zur historischen Entwicklung der Berufsschule. Neben Artefakten wie Gesellenbriefen und Zeugnissen sollen auch Geräte, mit denen Friseure und Mechaniker vor 150 Jahren gearbeitet haben, in der Ausstellung zu sehen sein. Eine Zeitkapsel mit Dokumenten aus dem Jubiläumsjahr, darunter Briefe an die nächsten Generationen, vergraben Schüler und Lehrer am 13. Oktober. Am heutigen Samstag wird ab 16 Uhr mit Musik und einem DJ vom Radiosender "RockAntenne" auf dem Pausenhof der Berufsschule gefeiert. Die Eintrittskarte für Nichtteilnehmer des Weltrekords kostet zehn Euro, Kosten für die Verpflegung sind inkludiert.

Und noch eine Bitte hat die Berufsschule Erding: Sie ist auf der Suche nach einer wohl 1992 verfassten Studienarbeit über die Einrichtung, die an der Technischen Universität München entstanden ist. Autorin ist Sabine Tschorn, die damals in Erding gelebt haben soll. Wer helfen kann, meldet sich bitte unter Tel. (08122) 954350.

© SZ vom 01.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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