Einweihung der Hauptsynagoge:"Hitler hat es nicht geschafft, uns zu vernichten"

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Heute kehren die Münchner Juden feierlich mitten ins Stadtzentrum zurück. Für Charlotte Knobloch ist das eine Genugtuung - über die sie aber nicht vergisst, an die Gräueltaten der Nazis heute vor 68 Jahren zu erinnern.

Bernd Oswald

Bei ihrer Rede zur Einweihung der neuen Münchner Hauptsynagoge hat die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, unterstrichen, wie wichtig die zentrale Lage des jüdischen Zentrums am Jakobsplatz für die Münchner Juden sei. "Die jüdische Gemeinschaft hat eine neue Heimstatt gefunden und ist zurück im Herzen Münchens."

Charlotte Knobloch, die Präsidentin des Zentralrats der Juden, neben Bundespräsident Horst Köhler (mit Frau), Münchnens Oberbürgermeister Christian Ude und Arbeitsminister Franz Müntefering (li.). (Foto: Foto: dpa)

Knobloch, die auch Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Münchens ist, erinnerte an die Verfolgung der Juden während der Reichspogromnacht am 9. November 1938, die sie selbst miterlebte: "Sechs Jahre bin ich alt gewesen, als ich am 10. November an der Hand meines Vaters durch meine Heimatstadt hastete. Die Fensterscheiben der jüdischen Geschäfte waren zertrümmert, die Synagoge an der Herzog-Rudolf-Straße qualmte noch. Das kleine Mädchen, das ich gewesen bin, verstand nichts und dennoch alles."

"Diskutieren, lachen, streiten Sie mit uns"

Knobloch sagte, es sei ihr besonderer Wunsch gewesen, die neue Hauptsynagoge an einem 9. November einzweihen, "weil wir heute aller Welt zeigen können, dass es Hitler nicht gelungen ist, uns zu vernichten." Mit der Eröffnung der Synagoge Ohel Jakob (Zelt Jakobs) schließe sich für sie ein Kreis.

Die 74-Jährige lud die Münchner ein, das jüdische Zentrum, zu dem auch ein Gemeindehaus mit Restaurant und Schule gehört, zu besuchen: "Diskutieren, lachen, streiten Sie mit uns". Dann werde dieses Zentrum zu einem "Ort des Dialogs", wie es sich Bundespräsident Rau bei der Grundsteinlegung gewünscht hatte.

Dessen Nachfolger Horst Köhler setzt darauf, "dass jüdisches Leben in Deutschland eines Tages wieder eine Selbstverständlichkeit ist". Köhler sagte weiter: "Wir brauchen Träume, wir brauchen eine Vorstellung davon, wie eine gemeinsame Zukunft in einem von Vielfalt und Toleranz geprägten Deutschland aussehen soll." Die Erinnerung an den grausamen Versuch, jüdisches Leben in Deutschland für immer auszulöschen, werde "uns dabei immer begleiten".

Der Bundespräsident betonte, dass sie Synagoge auch ein Ort des Gedenkens sein müsse: "Die Opfer zu vergessen oder ihr Schicksal zu relativieren, wäre ein neues Verbrechen an ihnen - und eine Versündigung an unserer eigenen Zukunft."

"Es kommt auf jeden Einzelnen an"

Deshalb müsse dafür gesorgt werden, dass diese Auseinandersetzung mit der Geschichte in Schule und Gesellschaft lebendig bleibe. Köhler mahnte: "Wir müssen dafür sorgen, dass junge Menschen im Alltag erleben, welch hohes Gut Toleranz, Demokratie und Menschenrechte sind. Denn daraus erwächst eine Haltung, die klar macht: Es kommt auf jeden Einzelnen an - immer."

Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber begrüßte die Rückkehr jüdischen Lebens in "das Herz der Münchner Altstadt". Dort entstünde nun ein "geistiges, kulturelles und religiöses Zentrum der Bürger jüdischen Glaubens. Sie sind eine große Bereicherung für unser Land."

Mit Blick auf die rechtsradikalen und antisemitischen Tendenzen in Deutschland sagte Stoiber: "Wir müssen alles daran setzen, dass rechtsradikale Demagogen und Holocaust-Leugner bei uns in Deutschland nie wieder Gehör finden." Gerade jungen Menschen müsse vermittelt werden, wie wichtig Menschenwürde, Freiheit und Toleranz für das friedliche Zusammenleben der Menschen seien.

"Im Herzen der Stadt"

Münchens Oberbürgermeister Christian Ude unterstrich die besondere Lage des jüdischen Zentrums. Das abgeschiedene Hinterhof-Dasein des Münchner Judentums habe nun ein Ende. "Heute sind Münchens Jüdinnen und Juden im Herzen der Stadt angekommen." Dies sei eine enorme religiöse, kulturelle, schulische und soziale Aufwertung der Altstadt.

Bei der Schlüsselübergabe an Charlotte Knobloch sagte Ude: Möge dieses Haus ein Haus des Friedens sein. Ein Haus, dem Frieden vergönnt ist und ein Haus, von dem Frieden ausgeht."

Die Synagoge "Ohel Jakob" (Zelt Jakobs) wurde in dreijähriger Bauzeit errichtet. Zusammen mit dem Gemeindezentrum hat sie 57 Millionen Euro gekostet. Diese Summe haben die Israelitische Kultusgemeinde, die Stadt München, der Freistaat Bayern und Spender aufgebracht. Das Gemeindezentrum wird im Frühjahr 2007 eröffnet.

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