Ein Wintertag...:...ganz allein und trotzdem fein

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Mit gewaltigen Sprüngen stiebt das Pferd schnaubend im gestreckten Galopp an mir vorbei. Nebelwolken steigen wie heißer Dampf aus seinen Nüstern empor. Nur eine Scheibe trennt uns.

Katharina Böhringer

Ich sitze im Café Reitschule, kuschle mich auf die Ledercouch und nippe an meiner heißen Schokolade. Draußen rieselt leise der Schnee und klirrt die Kälte. Schon spritzt der Sand erneut bis unter das Reithallenfenster und das nächste Ross nähert sich mit raumgreifenden Tritten und hämmernden Hufen.

Der Chinesische Turm im Winter-Look, zu seinen Füßen der Weihnachtsmarkt. (Foto: Foto: dpa)

Ein ordentliches Frühstück gibt es fast überall in München. Doch bei kaum einem anderen Café schmaust das Auge derart mit. Was zwar auch an den gebotenen Speisen liegt, vor allem aber an dem direkten Blick in die Reithalle der Universitätsreitschule. Im Café Reitschule kommt erst gar keine "Sommer-Draußensitz-Wehmut" auf, soviel gibt es zu sehen. Und nebenbei: Nicht nur die Pferde sind schick, auch das Publikum tut alles dafür, sich mit jenem Prädikat schmücken zu können.

Nach einem ausgedehnten Mahl kostet es ein wenig Überwindung, sich wieder die Daunenjacke überzuziehen und in die Kälte gespuckt zu werden. Aber es nützt nichts, schillernde Paradiesvögel und elegante Dressurpferde füllen noch keinen Tag. Also Mütze auf den Kopf, Hände in die Taschen gesteckt und durch die Winterpracht gestapft.

Der Weg führt über Brücken und freies Feld, bis sich plötzlich der Chinesische Turm in seiner fragilen Mächtigkeit vor mir aufbaut. Zu seinen Füßen gruppiert sich ein bezauberndes Weihnachtsdorf.

Lebkuchen duften, handgefertigte Elfen flirren durch die Luft und Christbaumkugeln funkeln. Nicht zuletzt wärmt ein würziger Glühwein von innen und durchströmt den Körper mit wohliger Wärme. Mittlerweile dämmert es und die Abendsonne entleert ihren rotgoldenen Farbtopf auf das reflektierende Weiß des Schnees. Schon wieder Hufgetrappel, diesmal nicht sicht- sondern hörbar. Gleich neben mir hält eine Kutsche und entlässt ihre Passagiere mit verzückten Gesichtern. Noch einmal über die samtige Schnauze des Schimmels gestreichelt und schon verschwinden sie im Getümmel.

Ich zögere nicht und steige ein. Den Englischen Garten im Viertakt des Trabs und von einer dicken Wolldecke umschlungen zu erkunden, hat besonders im Winter seinen Reiz, wenn die Landschaft nach ganz eigenen Gesetzen ihre karge Ästhetik entfaltet.

Mittlerweile verstehe ich, warum der Weihnachtsmann den Schlitten nimmt, um von himmlischen Sphären hinabzugleiten und die Erdenbürger zu beschenken. Ich würde es genau so machen - nur vielleicht nicht unbedingt Rentiere anspannen. Doch zum Glück bin ich nicht der Weihnachtsmann, sonst wäre mir dieses Vergnügen nur einmal im Jahr vergönnt, und der nächste Sonntag kommt bestimmt.

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