Zum Tod Karlheinz Böhms:"Ein Egomane im humanistischen Sinn"

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Vaterstettens Alt-Bürgermeister Peter Dingler über seinen Freund, der ihn vor mehr als 20 Jahren auf die Idee einer bis heute wohl einmaligen Städtepartnerschaft brachte

Von Rita Baedeker

Baldham - Karlheinz Böhm war als freundlicher, zugänglicher Mann bekannt, als Mann, der anderen Menschen Wertschätzung entgegenbrachte, sich an sie erinnerte. Zehn Jahre, nachdem sein Vater, der Dirigent Karl Böhm, gestorben war, versäumte er es zum Beispiel nicht, sich für ein kurz vor dessen Tod in dieser Zeitung erschienenes Porträt seines Vaters bei der Autorin zu bedanken. Die scheue Unnahbarkeit des Prominenten war ihm fremd.

Vergangenen Donnerstag ist Karlheinz Böhm nach langer Krankheit im Alter von 86 Jahren in seinem Haus in Gröding bei Salzburg gestorben. Einen großen Teil seines Lebens, die Jahre von 1974 bis 1994, hat er in Baldham verbracht. Seine Eltern, Karl Böhm und die Sopranistin Thea Linhard, wohnten im Mozartring.

Die Gemeinde Vaterstetten und der Verein für die Partnerschaft mit Alem Katema trauern um einen Bürger, Freund und Wegbegleiter. Der ehemalige Schauspieler (bekannt geworden vor allem an der Seite von Romy Schneider als Kaiser Franz Joseph in den Sissi-Filmen, aber auch in Filmen von Rainer Werner Fassbinder) brachte vor mehr als 20 Jahren Vaterstettens damaligen Bürgermeister Peter Dingler auf die Idee, eine Städtepartnerschaft zu gründen, wie es sie wohl nur einmal gibt. Sein Leben als Schauspieler hatte Böhm da längst abgestreift. Seichter Glamour lag ihm, dem Sohn eines stets um Tiefe und Perfektion ringenden Künstlers, sowieso nie.

Peter Dingler, damals Bürgermeister von Vaterstetten, hat Karlheinz Böhm gut gekannt. Erstmals getroffen haben sich die beiden Männer bei einer Gedenkfeier für den verstorbenen Karl Böhm im Rathaus Vaterstetten. Dingler hielt damals die Festrede. "Wir kamen ins Gespräch und freundeten uns an". 1994 habe Böhm ihn in sein Haus nach Addis Abeba eingeladen, ihm die Hilfsprojekte gezeigt. Bei dieser Gelegenheit sei der Gedanke entstanden, eine Partnerschaft aufzubauen, eine, wie es sie wohl so nirgendwo mehr gibt. Eine Freundschaft über zwei Kontinente und 5000 Kilometer hin weg, vor allem aber: auf Augenhöhe. "Karlheinz Böhm war ein interessanter Mann", sagt Dingler, "ein Egomane im humanistischen Sinn. Wenn er ein soziales Ziel hatte, hat er es bis zur letzten Konsequenz verfolgt, auch auf Kosten seiner Gesundheit", berichtet Dingler.

Bei seinen Hilfsprojekten habe er stets darauf geachtet, Ressourcen am Ort zu nutzen. Einmal, so Dingler, habe man für eines seiner Projekte mehrere Traktoren gespendet, die aber bald kaputt waren. Statt sich nun um eine Reparatur zu bemühen, organisierte Böhm im Nachbardorf ein paar Ochsen, die zum Pflügen auf dem harten Boden viel besser geeignet waren als die Traktoren, erzählt Dingler.

Natürlich war Böhm auch immer wieder besuchsweise in Baldham. Er habe ihn auch zu zwei seiner Geburtstagsfeiern am Neusiedler See und im Zirkus Sarrasani eingeladen. "Er hatte ein unheimliches Menschengedächtnis und schätzte persönliche Bekanntschaften." Die in einer "Wetten, dass. . ."-Quizshow gezeigte Wut darüber, dass Menschen sterben müssen, nur weil sie arm sind, die sei echt gewesen. Beeindruckt hat Dingler vor allem Böhms Engagement gegen die in Äthiopien übliche Beschneidung von Mädchen. "Er hat die Dörfer besucht, hat argumentiert und gekämpft, hat den Menschen erklärt, wie viel Schmerz diese barbarische Prozedur bereitet. Dass die Beschneidung dort nun offiziell verboten wurde, ist - auch wenn es nach wie vor geschieht -, sein Verdienst."

© SZ vom 02.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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