Zuhörer mit Zivilcourage:Eklat bei Abend mit Max Mannheimer

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Eine verurteilte Leugnerin des Holocaust meldet sich im evangelischen Gemeindehaus in Ebersberg zu Wort. Das Publikum buht die Frau aus dem Saal

Von Janice Huff

Eine vor fünf Jahren wegen Volksverhetzung, Aufstachelung zum Rassenhass und versuchter Strafvereitelung verurteilte Rechtsanwältin ist mit antisemitischem Gedankengut erstmals öffentlich in ihrer Heimatstadt Ebersberg in Erscheinung getreten. Bei einem Abend der evangelischen Kirchengemeinde mit Max Mannheimer am Mittwoch hatte die Frau versucht, sich über den Umgang mit Menschen zu beklagen, die der Geisteshaltung der Holocaust-Leugner folgten. Die gut 70 Zuhörer, darunter zahlreiche Jugendliche, ließen sie jedoch nicht weiter zu Wort kommen und buhten sie regelrecht aus dem Saal. Mannheimer, dessen Familie im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau von den Nazis ermordet wurde, blieb angesichts der Provokation dennoch sachlich. Statt sich auf eine Diskussion mit der Frau einzulassen, forderte er das Publikum auf, die Fragerunde fortzusetzen. "Wir sollten unsere Zeit mit Sinnvollerem nutzen", sagte Mannheimer.

Bestürzt über den Vorfall zeigte sich Bernward Sauer, der Vertrauensmann der evangelischen Kirchengemeinde, die den Abend organisiert hatte. Das, was die Anwältin von sich gegeben habe, grenze seiner Ansicht nach an die Illegalität. Hätte sie noch länger gesprochen, hätte er wohl Anzeige erstattet. Die Frau war während der Fragerunde aufgestanden und hatte mit den Worten begonnen, dass es schwer möglich sei, die wesentlichen Fragen zu stellen. Wer kritisch frage, bekomme Probleme, wer andere Ansichten vertrete, komme ins Gefängnis. "Ich war selbst im Gefängnis wegen Holocaustleugnung."

Das Publikum blieb im ersten Moment sprachlos, als wolle es dem Gesagten keinen Glauben schenken. Doch dann machten die Besucher im evangelischen Gemeindehaus ihre Empörung deutlich. "Verlassen Sie diesen Raum!", "Raus!", "Holocaustleugnerin!" riefen sie der Frau entgegen. Manche standen auf, fuchtelten mit den Armen und warfen ihr böse Blicke zu. "Wenn wir Ihnen jetzt noch weiter zuhören würden, hätten wir aus der Geschichte nichts gelernt", sagte ein aufgebrachter Mann in die Menge. "Oder glauben Sie, dass er sich die Tätowierungen selbst beigebracht hat?", fragte er mit Blick auf die in Mannheimers Arm eingebrannte KZ-Häftlingsnummer. Die Anwältin versuchte nochmals vergeblich zu Wort zu kommen, bevor sie einige Minuten später den Saal verließ. "Ich war nahe daran, das Hausrecht auszuüben", sagte Kirchenvertrauensmann Bernward Sauer. "Bei mehr Tumult hätte ich sie des Saales verwiesen." Sauer ist froh, dass das Publikum sich einig gewesen sei, der Frau nicht weiter Aufmerksamkeit zu schenken. "Diese wollten wir ihr nicht bieten." Stattdessen nutzten die Zuhörer die Chance, das Gespräch mit dem 93-jährigen Zeitzeugen fortzusetzen.

Zuvor hatte Mannheimer, der Vorsitzender der Lagergemeinschaft Dachau ist, über die Machtergreifung Hitlers, die beginnende Deportation der Juden und das Leben im Konzentrationslager berichtet. Im Anschluss las er aus seinem neuen Buch "Drei Leben" vor, in dem er zunächst seine unbeschwerte Jugend beschreibt, die im Dritten Reich mit der menschenverachtenden Ideologie des Nationalsozialismus ein jähes Ende findet. Der 93-Jährige zitierte einen seiner Mithäftlinge: "Ich habe Auschwitz verlassen, aber Auschwitz hat mich nie verlassen."

Der Auftritt der Ebersberger Anwältin reiht sich in mehrere Vorfälle mit rechtsextremem Hintergrund ein. Erst Anfang des Monats war bekannt geworden, dass in Grafing als Tierschützer getarnte Neonazis versucht hatten, eine Demonstration von Jugendlichen vor einem Zirkus zu unterwandern. Dabei hatten die Unbekannten Flugblätter mit Adressen von rechtsradikalen Gruppierungen verteilt.

© SZ vom 25.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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