SZ-Forum I:Die Harmonischen

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Die Bewerber für das höchste Amt im Landkreis nehmen Stellung zu wichtigen Themen wie Flächenfraß und Energiewende

Von Wieland Bögel

Beim SZ-Forum mit den Landratskandidaten im Alten Kino herrscht großer Andrang (Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Politikverdrossenheit kann man den Landkreisbürgern nicht vorwerfen. Die Podiumsdiskussion mit den vier Landratskandidaten im Alten Kino in Ebersberg stieß auf großes Interesse, bereits eine halbe Stunde vor Beginn war der Saal bis zum letzten Platz belegt. Fast drei Stunden lang versuchten Robert Niedergesäß (CSU), Ernst Böhm (SPD), Reinhard Oellerer (Grüne) und Toni Ried (Freie Wähler) dem Publikum und dem Moderator Christian Hufnagel darzulegen, warum sie der beste Landrat für Ebersberg seien.

Fast drei Stunden lang diskutieren Reinhard Oellerer (Grüne), Ernst Böhm (SPD), Robert Niedergesäß (CSU) und Toni Ried (Freie Wähler) unter der Moderation von Redaktionsleiter Christian Hufnagel (von rechts). (Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Die Vorstellungsrunde

Sehr harmonisch gaben sich die vier Kandidaten, als es darum ging, sich gegenseitig zu präsentieren. Allenfalls zwischen den Zeilen war ein wenig Wahlkampf zu erkennen. Ried lobte Oellerer für seine "scharfsinnige und besonnene Art". Dies sei ihm allerdings erst kürzlich aufgefallen. Denn vor dem Wahlkampf habe er den Anzinger Gemeinde- und Kreisrat kaum gekannt, wagte Ried eine kleine Anspielung auf den Bekanntheitsgrad Oellerers. Trotzdem sei dieser in der Kommunalpolitik gut bewandert und erfahren. Als zweiter in der Vorstellungsrunde könne er eigentlich "furchtbar auf ihn schimpfen, aber ich wüsste nicht warum", entgegnete Oellerer in Richtung Ried. Denn: "Jemand, der Tee mag, ist mir als Englischlehrer natürlich sympathisch", so Oellerer in Anspielung auf den Teeladen des Gegenkandidaten. Und auch beim Engagement gegen Flächenfraß sei man im Prinzip auf einer Linie, lobte der Grünen-Kandidat, verband dies aber mit einem kleinen Tadel: Er könne nicht verstehen, warum Ried im Stadtrat kürzlich der Ausweitung eines Gewerbegebietes zugestimmt habe.

Auch als Niedergesäß seinen Kontrahenten von der SPD vorstellte, war das Wahlkampfgeplänkel eher in den leisen Tönen versteckt. Ein "erfolgreicher Unternehmer" sei der Grafinger, lobte Niedergesäß, allerdings "bis vor drei Monaten im Landkreis ein unbeschriebenes Blatt". Nun, mit 55 Jahren, "sagt er, er möchte etwas Neues beginnen und Landrat werden". Dass der CSU-Bewerber kein unbeschriebenes Blatt in der Kommunalpolitik ist, machte Böhm bei der Vorstellung von Niedergesäß deutlich. Er zählte die politischen Stationen auf, die Vaterstettens Bürgermeister in den vergangenen 25 Jahren durchlaufen hatte. Wer wollte, konnte da ein bisschen Kritik an Berufspolitikern heraushören.

Flächenverbrauch

Flächenfraß durch Gewerbegebiete und Straßenbau? Hier eine versiegelte Fläche im Gewerbegebiet Eglharting.  (Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Dass es von Nachteil sei, wenn immer mehr Natur und Ackerland unter Asphalt und Beton verschwinden, darin waren sich die Kandidaten einig. Unterschiede gab es indes bei der Bewertung des auch als "Flächenfraß" bekannten Phänomens. Oellerer verwies darauf, dass im Landkreis rund 75 Hektar pro Jahr zugebaut würden. Dass dies gänzlich zu stoppen sei, bezweifelte er. Gerade im Ballungsraum München sei dies unrealistisch. Dennoch müsse man den Flächenverbrauch reduzieren, dies liege allerdings in der Verantwortung der Gemeinden, denn diese hätten die Planungshoheit. Trotzdem könne der Landrat versuchen, auf die Bürgermeister einzuwirken, auf Großprojekte am Ortsrand zu verzichten. Auch die geplanten Umgehungsstraßen im Landkreis lehnte Oellerer ab, genau wie ungezügelte Ausweisung von Gewerbeflächen. Gewerbe sei zwar wichtig, aber nur, wenn es bestehende Strukturen nicht gefährde. Ähnlich sah dies Ried. Neue Einkaufszentren "auf der grünen Wiese" seien nicht nur für die Natur, sondern auch für den lokalen Einzelhandel schädlich. Als Landrat wolle er sich für ein Gesamtkonzept einsetzen: "Es muss nicht jeder seine eigene Suppe kochen." Niedergesäß sah den Begriff "Flächenfraß" kritisch, dieser sei zu emotional aufgeladen. Schließlich könne man froh sein, dass der Landkreis nicht entvölkert werde und Leute wie Gewerbe herziehen wollten. Auch beim Bau von Umgehungsstraßen gelte es abzuwägen zwischen dem Schutz der Natur und dem Schutz der Menschen vor Verkehr. "Ich bin für Entlastungsstraßen", so Niedergesäß, wenn diese Verkehr in den Orten messbar reduzieren. Auch Böhm sprach sich nicht grundsätzlich gegen Umgehungsstraßen aus. An einigen Orten, etwa in Steinhöring, solle man dies prüfen. Was er dagegen ablehne, seien "Großhandelsflächen" am Ortsrand. Auch andere Gewerbeflächen solle man dort nur erlauben, wenn pro Hektar 60 neue Arbeitsplätze entstehen. Ansonsten müsse man sich für die Innenverdichtung stark machen.

Wohnungsbau

Überall im Landkreis, wie hier in Baldham, wird fleißig gebaut. Doch trotzdem wird Wohnraum immer teurer (Foto: EBE)

Ziemlich ähnlich waren sich die Positionen der vier Bewerber beim Thema bezahlbarer Wohnraum. Diesen herzustellen, "damit sind Kommunen und Landkreis alleine überfordert", meinte Niedergesäß. Oellerer verwies darauf, dass der Bund steuerliche Privilegien für sozialen Wohnungsbau abgeschafft habe, dies hätte deutlich zur Verknappung von Wohnraum beigetragen. Auch Böhm forderte, dass in der Bundespolitik Anreize dafür geschaffen werden müssten, damit durch private Unternehmen wieder mehr Wohnungen gebaut würden. Und zwar Wohnungen, die bezahlbar sind, forderte Ried, denn die neuen Siedlungen an den Rändern der Ortschaften nutzten "denen, die wenig Geld haben" überhaupt nichts. Alle vier Kandidaten sprachen sich dafür aus, dass man den genossenschaftlichen Wohnungsbau stärker fördern wolle.

Energiewende

Im Forst bei Purfing wird derzeit mit einem Messmasten ermittelt, ob sich der Standort für Windräder eignet. Nicht jeder ist dafür. (Foto: N/A)

Bei der Frage, wie man den Umstieg auf erneuerbare Energien schaffen kann, wagte sich Ried in die Außenseiterposition. "Ich bin ein Gegner der Verspargelung der Landschaft", meinte er im Hinblick auf im Landkreis geplante Windräder. "Wenn wir es nicht bauen, dann wird eben woanders verspargelt", entgegnete Oellerer. Außerdem habe man etwa bei dem geplanten Windpark im westlichen Forst viele Anstrengungen unternommen, die Anwohner zu schonen. Etwa durch den Verzicht auf eines der Windräder und durch größere Abstände zu den Ortschaften. Auch für Niedergesäß war die ästhetische Seite der Energieversorgung eher nachrangig: "Mir ist ein Windrad, das ich sehe, lieber, als ein Atommeiler in Landshut, der in die Luft gehen und die gesamte Region verseuchen kann." Zudem bemühe sich der Landkreis durch den gemeinsamen Flächennutzungsplan für Windräder gerade darum, "eine wilde Verspargelung der Landschaft zu verhindern". Böhm erklärte, man dürfe die Energiewende nicht auf Windräder reduzieren, auch Stromspeicherung und Wärmeerzeugung seien wichtige Themen. Bei der Wärmegewinnung könne es der Landkreis durchaus schaffen, bis 2030 auf erneuerbare Energien umzusteigen, so Böhm, bei Strom sei dies aufgrund der fehlenden Speichermöglichkeiten schon schwieriger, beim Verkehr sogar unmöglich. "Beim Verkehr ist es nicht darstellbar", befand auch Oellerer, hier werde man warten müssen, bis Verfahren wie die Methanisierung marktreif seien.

© SZ vom 04.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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