Kompromiss nicht in Sicht:Verhärtete Fronten

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Anwohner und Betreiber streiten weiter über die geplante Kapazitätssteigerung der Grafinger Biogasanlage. Umweltminister Marcel Huber bezieht bei einem Besuch keine Position.

Thorsten Rienth

Grafing Umweltstaatsminister Marcel Huber (CSU) ist mit der Entourage aus Ministeriumsmitarbeitern und Lokalpolitikern schon zur Besichtigungstour in die Grafinger Biogasanlage aufgebrochen. Die meisten Anwohner warten vor der Türe. Sie sind aufgebracht, wollen nicht, dass die Betreiber die Kapazität der Anlage erhöhen. Martin Rothmoser, der zum Anlagenbetreiber Bioenergie Grafing AG gehört, kommt kurz nach draußen. In der Hand hat er ein Tablett mit Wurst- und Käsesemmelhälften. Die würde es drinnen geben, sagt er. Wer will eine? "Nicht von Ihnen, Herr Rothmoser!", raunzt ihm die Anwohnerin entgegen.

Die Szene, die sich so beim Besuch des Staatsministers am Montagmittag abgespielt hat, steht beispielhaft für das getrübte Verhältnis zwischen dem Betreiber der Biogasanlage und den Anwohnern. Mittlerweile sehen die Nachbarn in jeder Aktion der Betreiber einen gewieften taktischen Schachtzug. In der Erinnerung der Anwohner haben die Betreiber vor vier Jahren versprochen, die damals neu gebaute Anlage sicher nicht zu erweitern. Die Verantwortlichen von der Bioenergie AG wollen das so nie gesagt haben. Außerdem wollten sie die Anlage baulich gar nicht erweitern, versichern die Betreiber. Es ginge lediglich darum, die Kapazität zu erhöhen. Etwa 30 Prozent mehr Gas sei möglich, würde die Anlage künftig mit einer energiehaltigeren Biomasse gefüttert. Statt 2,3 Millionen würde sie dann etwa drei Millionen Kubikmeter produzieren. Weil die Anlage laut Genehmigung nur diese 2,3 Millionen Kubikmeter herstellen darf, müsste der Stadtrat Areal zum "Sondergebiet Erneuerbare Energien" umwidmen. Beantragt ist der Verwaltungsakt zwar noch nicht. Doch die Ankündigung reichte, um am Schönblick eine Welle des Protests loszutreten.

Gütliche Einigung sind zwei Wörter, die in diesen Tagen von beiden Seiten oft zu hören sind. Doch was gibt es - realistisch betrachtet - noch zu schlichten, wenn schon das Angebot einer Wurstsemmel ausgeschlagen wird? Der Staatsminister versuchte es mit Verständnis. "Wenn wir die Energiewende schaffen wollen, dann können wir nicht einfach Kapazitäten ungenutzt lassen", sagte der Minister. "Aber es muss auch klar sein, dass die Energiewende weder die Natur, noch die Bevölkerung über Gebühr belasten darf", sagte er. "Den Mittelweg zu finden ist natürlich sehr schwer."

Dieses "über Gebühr" ist im Grafinger Fall der Geruch, der aus der vor der Anlager gelagerten Silage strömt. "Wir sind durch diesen Gestank wirklich massiv beeinträchtigt", schilderte Anwohner Reinhold Güntner dem Minister. Vor allem morgens und abends fließe der Gestank regelrecht hinunter zu den Häusern. "Wir haben nichts gegen ein Sondergebiet für Biogasanlagen. Aber nicht an diesem Standort hier - 200 Meter weg von den Häusern."

Die Anwohner fühlen sich sprichwörtlich über den Tisch gezogen. Die Anlage sei lediglich über das privilegierte Bauverfahren errichtet worden, um bauliche Fakten zu schaffen. Jetzt komme womöglich ein Sondergebiet, von dem keiner wisse, was es den Betreibern an neuen - dann baulichen - Möglichkeiten eröffne. Diesen Zusammenhang bestreitet die Bioenergie AG. "Das ist doch einfach nur ein Verwaltungsakt", sagte Martin Lechner, einer der Vorstände.

Minister Huber machte keinen Hehl daraus, derartige Grafinger Details nicht beurteilen zu können. "Ich schaue mir so etwas aber trotzdem gerne an, insbesondere dann, wenn das eine innovative Komponente hat", sagte er. Gemeint haben dürfte er damit das Grafinger Mikrogasnetz: In einer kleinen Leitung fließt das Biogas vom Schönblick hinunter ins Blockheizkraftwerk. Dort wird zuerst Strom gewonnen. Die dabei entstehende Wärme fließt ins Grafinger Nahwärmenetz. "Dass eine Anlage gleichzeitig Strom und Wärme erzeugt", lobte der Minister, das sei schon "sehr beispielhaft".

© SZ vom 28.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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