Kandidat für Tassilo:Nicht alles im Leben ist Rock 'n' Roll

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Der Musiker Willy Mertl aus Grafing spielt Benefizkonzerte, schreibt Bücher und sammelt ungewöhnliche Dinge.

Rita Baedeker

Es ist nicht alles Rock'n'Roll im Leben eines Rockmusikers. Auch für Willy Mertl alias Wild Willy Westbahn gab es in den vergangenen 50 Jahren nicht bloß Spaß, Sex, nächtliche Fahrten im Bandbus und willige Groupies. "Ned ois bloß Rock'n'Roll" lautet der Titel der zu Beginn dieses Jahres erschienenen Biografie des Musikers, einer von ironischer Selbstbespiegelung geprägten Sammlung von Geschichten aus dem Leben des Guitar-Highlanders aus Dichau bei Grafing. Ned ois bloß Rock'n'Roll - das gilt auch für seine Musik, zu der Country-Metal, neu arrangierte Hits der Beatles, sanfte Songs sowie englische und bairische Texte gehören.

Seine Liaison mit der Musik begann, als er ein kleiner Bub war. Eine klassische Gesangsaubildung, die ihn beinahe zu den Regensburger Domspatzen geführt hätte, intensives Klavierspiel, eine enge Bindung an die Mutter, die mit knapp 50 Jahren starb, und ein schwerer Unfall (seine erste letzte Ölung bekam er als Sechsjähriger in der Kinderklinik von Steinhöring) prägten die Kindheit, die er als einsamer und, wie er erzählt, "überbehüteter" Pechvogel mehr über- als erlebt hat. Zum Spielen hatte er nichts als einen Hund mit Rollen zum Draufsetzen und einen Blechkran.

Ned ois Rock'n'Roll! Da gab es zum Beispiel die Gefängniszelle, in der ihn der ehemalige Grafinger Bürgermeister Kleinmeier wegen ruhestörenden Lärms am liebsten gesehen hätte. Da gab es das karge Kinderheim mit Essensentzug und anderen Repressalien, da gab es den Motorradunfall, den Verlust der ersten und einzigen großen Liebe und andere Lebenskatastrophen, die andere, zarter besaitete junge Menschen hätten straucheln lassen. "Gäbe es einen Eintrag im Guinessbuch der Rekorde für die meisten Fahrten in einem Krankenwagen - ich würde ihn gefühlt bis heute noch halten", schreibt der eigenen Angaben zufolge als "Frohnatur" geborene Lebenskünstler unverdrossen. Groß gewachsen, sehnig, mit dunklen halblangen Haaren, Hut, Leder und viel schwerem Silberschmuck, verkörpert er einen ungezähmten Mann mit Selbstbewusstsein und starkem Ego. Er lebt in seinem Elternhaus und hütet dort einen stetis wachsenden Schatz aus präparierten Skorpionen und Vogelspinnen, 160 Gitarren und anderen Saiteninstrumenten, 30 000 Filmen, Dreh-Requisiten wie Daniel Craigs 007-Feuerzeug und Christopher Lamberts Schwert aus dem "Highlander", dazu Uhren, Bücher und andere Devotionalien, die von seiner Sammelleidenschaft und seiner Liebe zu alten, mystisch angehauchten Dingen künden.

Wenn Gott sich offenbart, dann meist in wenig spektakulärer Weise. Zu Mertl kam der "Gott der Musik" in Form eines schlichten Kassettenrekorders, den ein Freund des Vaters anschleppte und aus dem der Song "Red River Rock" von "Johnny and the Hurricanes" drang. Er übte den Song rauf und runter. "Es war der erste, den ich live auf einer Bühne gespielt habe - mit Red Willy & the Arrows." Später hat ihn Ralph Siegel entdeckt. Inzwischen arbeitet Mertl mit Eric Clapton ebenso wie mit dem Öxinger Männergesangverein; er macht Filmmusik, spielt Benefizkonzerte, zum Beispiel in der Montessorischule in Niederseeon, und unterstützt notleidende Musiker, weshalb sein pubertärer Sohn ihn schon mal gelegentlich mit den Worten "Aha, der Gutmensch" begrüßt. Der Künstlername "Westbahn" ist übrigens eine Hommage an den von Mertl geschätzten österreichischen Rocker Kurt Ostbahn, den Bruder des Schauspielers Lukas Resetarits (Kottan). Den Namen "Highlander" hat er sich von Christopher Lambert, dessen Film-Schwert er besitzt, geliehen.

Die drehbuchgerecht aufbereiteten Geschichten aus dem Leben eines "Bruchpiloten", wie Mertl von seiner Mutter genannt wurde, sind aber nicht sein einziger Ausflug in die Schriftstellerei: Da gibt es noch die Geschichte von Sam und einem Außerirdischen, der sich außerhalb der Zeit bewegen kann. Die Idee gefiel dem mittlerweile verstorbenen Regisseur Bernd Eichinger so gut, dass er aus dem Stoff einen Film machen wollte. Nicht alles im Leben ist Rock 'n'Roll". Allen romantischen Vorstellungen zum Trotz, sagt Mertl, sei Musik zu machen ein äußerst hartes Brot. "Es fordert einem alles ab."

© SZ vom 09.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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