Kalas Liebfried stellt aus:Fragen in Farbe

Lesezeit: 2 min

"Die Theorie im Hintergrund ist gar nicht so blöd wie die Praxis auf der Vorderseite": Kalas Liebfried aus Glonn zeigt Bilder in der SZ-Galerie.

Lena Grundhuber

Manchmal sollte man die Dinge umdrehen. Denn wenn man Glück hat, ist dort nicht nur eine Rückseite, sondern ein Hintergrund zu finden und dann - ja, dann können die Dinge auf einmal ganz anders aussehen. "Die Theorie im Hintergrund ist gar nicht so blöd wie die Praxis auf der Vorderseite", sagt Kalas Liebfried. Er meint den Marxismus, beschreibt aber zugleich ein Bild, was in diesem Falle eins ist: Auf das viergeteilte Rückgrat einer Leinwand hat der 21-Jährige Marx, Lenin und Rudi Dutschke gesprüht. Das letzte Quadrat ist für Adorno reserviert, "aber ich hab's noch nicht zu Ende gedacht", sagt Liebfried.

Auch der eigene Großvater kann ein Motiv sein (links): Kalas Liebfried zeigt Bilder in der SZ-Galerie. (Foto: Grundhuber)

Darum kann es sowieso nicht gehen, denn die richtigen Fragen, weiß der Philosophiestudent, sind zunächst wichtiger als die Antworten. Er hat noch ein paar Fragen vor sich, theoretisch, aber auch praktisch: Kalas Liebfried nämlich macht sich nicht nur Gedanken, er macht sich auch Bilder dazu. Laute, heftige Bilder, die momentan sein WG-Zimmer in München-Laim beherrschen. Sie sind nicht immer unbedingt politisch, aber unbedingt, das sind sie. Von kommenden Donnerstag an zeigt der junge Künstler eine Auswahl seiner Arbeiten in der SZ-Galerie. Zur Vernissage wird sein Freund Ettore Zuppa Gedichte lesen.

Es ist kaum zu hören, aber Liebfried hat erst mit 14 Jahren Deutsch gelernt, als er aus einer bulgarischen Kleinstadt nach Antholing übersiedelte, um später nach Glonn zu ziehen, den Quali zu machen und aufs Gymnasium Grafing zu wechseln. Nach dem Abi habe er sich ursprünglich für die Kunstakademie bewerben wollen, erzählt er, "aber dafür fühle ich mich noch nicht bereit."Erst einmal Erfahrungen sammeln, gedanklich weiterkommen, mit Philosophie im Haupt- und Kunstgeschichte im Nebenfach.

Marx und Adorno sind mehr als linke Nostalgie-Ikonen zum Abmalen für ihn. Mit der Einführung des Bachelors an der Uni seien die "coolen Kommunisten" unter den Dozenten zwar verschwunden, wie er sagt. Aber ein Seminar zur "Dialektik der Aufklärung" hat er immerhin noch aufgetrieben. Der gebürtige Bulgare sieht im Kommunismus nicht das, was sein Heimatland daraus gemacht hat - "das wäre das Letzte, was Marx gewollt hätte" -, sondern die freie Gesellschaft.

Und das Prinzip Freiheit beansprucht Kalas Liebfried auch für seine Malerei. Für jenes "Irgendwas zwischen Pop-Art und Fotorealismus" sucht er Fotos als Vorlagen, wirft sie per Episkop an die Wand, nutzt die Schatten als Gerüst für seine Bilder: Südkoreaner beim Protest gegen Atomkraft, der eigene Großvater als junger Mann, Menschen im Karneval - verfremdet in scharfen Kontrasten, überzeichnet bis zum Schrei.

Gerade dieses vorgegebene Schema befreie ihn, sagt Liebfried - vom Zwang zur Kreativität: "Ich will den direkten Gedanken, der raus will", dem Instinkt folgen, ohne lang zu überlegen. Zumal er nicht das Geld habe, unendlich Leinwände und Ölfarben an gescheiterte Versuche zu verschwenden, bemerkt der Student. So falsch ist er eben nicht, der alte Satz vom Sein und dem Bewusstsein.

Das Spontane, Intensive, die "schöne, straighte Aussage" eines Rainald Goetz' etwa beeindruckt Liebfried so, dass er ihn porträtiert hat. Das Blut läuft dem gealterten Schriftsteller herunter wie damals, als er sich bei einer Lesung die Stirne aufschlitzte. Nicht alles ist so schmerzlich direkt, aber auch die kühle optische Täuschung, die der Künstler in die Redaktion einschleusen wird, ist ein Angriff auf die Ordnung. Die auf der Rückseite des Gesichts.

Vernissage am Donnerstag, 28. April, von 19 Uhr an in Redaktion der Ebersberger SZ.

© SZ vom 23.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: