Höhepunkt der Narrenzeit:Schnaps und Spagat

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"Lustig ist, worüber gelacht wird": Nach diesem Motto ziehen die Clowns beim diesjährigen Faschingsvarieté des TSV Grafing über die lokale Politik her.

Carolin Fries

In Sträflingsanzügen, mit schwarzen Balken vor dem Mund und gefesselten Händen erfolgt der Einzug der Clowns in diesem Jahr beim Faschingsvarieté des TSV Grafing in der Grafinger Stadthalle. Ein traurig lang gezogenes "Och" geht durch die Stadthalle. Sollen August (Christian Fischer), Giagl (Martin Weigand) und Wiggal (TSV-Vorstand Hermann Holzmann) wirklich nicht mehr Grafings Lokalpolitiker derblecken dürfen, wie von der Stadträtin Marlene Ottinger vom Bündnis für Grafing (BfG) auf der Jahreshauptversammlung des Sportvereins im vergangenen Jahr gefordert? "Die Wahrheit darf man immer und überall sagen", sagt der Giagl. Und zum "Tatbestand des Saufens in der Öffentlichkeit" - auch das hatte Ottinger damals kritisiert, meinte er: "Die Schnäpse bestellen wir nicht, die werden uns hier einfach hingestellt." Warum die Clowns dann allerdings Ottingers Ehemann Heinz Fröhlich, ebenfalls BfG-Stadtrat, eine klare Absage erteilen ("Du solltest besser draußen bleiben"), bleibt offen.

Das Varieté ist eine Institution des Grafinger Faschings, da muss nicht immer alles zusammenpassen. Rund 1000 Menschen besuchen jedes Jahr die vier Aufführungen, viele regelmäßig. "Eine schöne Mischung", nennt eine Besucherin den Wechsel von Turnvorführungen und politischem Witzereißen. "Genau richtig" findet ein Besucher das Niveau der Clownspäße, "wenn es nach mir geht, kann es nicht hart genug sein", sagt eine Dame, die sich als Rheinländerin outet. Nur eine Besucherin sagt, "es darf halt nicht unter die Gürtellinie gehen". Humor ist Geschmack und die Geschmäcker sind verschieden. Und während ein Hieb dem einen weh tut, steckt ihn ein anderer weg. Grafings Bürgermeister Rudolf Heiler (Freie Wähler) jedenfalls besucht die Veranstaltung seit Jahren nicht mehr. Und auch Heinz Fröhlich war bis Sonntagnachmittag nicht im Saal gesichtet worden. Dafür kamen reichlich Politiker von CSU, SPD und auch von den Grünen - und amüsierten sich köstlich.

"Eigentlich", so der Giagl, habe man ja gar kein Lied über Heiler und Fröhlich schreiben wollen. "Aber wenn's dann solche Hund reinhaun, dann braucht' eins. So erntet Fröhlich für seinen missglückten Versuch, jenen Stadtrat zu enttarnen, der aus nicht-öffentlichen Sitzungen geplaudert hat, den Titel "Hoit, da is a Spoit, da tret i nei, weil's ma so gfoit." Und Heiler widmen sie nach den Unruhen um die Versteuerung seines Dienstwagens einen Klostergesang mit Kollekte ("für einen 5er-BMW"). "Heiligesprechung erfolgt in naher Zukunft." Und dass Fröhlich dem Bürgermeister in der Steuersache zur Seite gesprungen ist, quittieren die Clowns mit "fünf Sternen im Bonusheft des Bürgermeisters". Logisch kriegen auch die anderen Stadträte ihr fett weg, so singen die Clowns kalauernd davon, wie die Grafinger Mitglieder der CSU-Kreistagsfraktion bei einem Ausflug nach Berlin nach einer abendlichen Sauftour das Hotel nicht wieder finden oder dass bei den Grünen "nur acht Hanseln" zu einer Veranstaltung mit Claudia Roth gekommen sind. Um beim folgenden Trinkspruch wieder auf Ottinger und Fröhlich zurückzukommen: "Sie schrie pass auf, ich werd' gleich geil, da schreibt der Heinzi noch ne' Mail". Und Heiler? Der hat als wandelnder Finanzexperte die "cassa finanza bavaria" ozapft.

Dazwischen geht dann immer wieder der schwere, rote Vorhang auf, und rund 100 Kinder und Jugendliche zeigen ihr sportliches Können. Als Mickey-Mäuse, rosarote Panther, Barbies oder in floureszierende Kostüme gekleidet schlagen sie in einstudierten Choreografien unzählige Räder, Radwenden, Flic Flacs , Salti und Purzelbäume. "Es ist schon anstrengend", sagt die 13 Jahre alte Tabea nach ihrem Auftritt hinter der Bühne. Dabei trägt sie eine Barbie auf dem Rücken. "Aber es macht auch so Spaß mit den ganzen Turnern." Was sich die einzelnen Gruppen, vom Kinderturnen über die Leistungsgruppe bis hin zu einer fünfköpfigen Wettkampftruppe zu ausgewählter Musik ausgedacht haben, ist atemberaubend schön und führt auf beeindruckende Weise "Körper unter dem Einfluss von Kräften vor", wie Varieté-Direktor eine Nummer ankündigt.

Als sich der Vorhang nach einer dieser Vorführungen wieder geschlossen hat, verabschieden die Clowns Landrat Gottlieb Fauth (CSU), der sein Amt aus gesundheitlichen Gründen niedergelegt hat. "Take it easy Susi-Maus", singen sie auf seine Frau, "mach' Dir nichts draus, ich bleib' jetzt öfter mal zuhaus". Dort würde er dann Hemden bügeln und - sie könnten endlich wieder .....Pause..... gemeinsam fernsehen.

© SZ vom 04.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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